The Project Gutenberg EBook of Leben und Tod Konigs Richard des zweyten by William Shakespeare #15 in our series by William Shakespeare Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. You can also find out about how to make a donation to Project Gutenberg, and how to get involved. **Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** **eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** *****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** Title: Leben und Tod Konigs Richard des zweyten Richard II Author: William Shakespeare Release Date: January, 2005 [EBook #7323] [Yes, we are more than one year ahead of schedule] [This file was first posted on April 14, 2003] Edition: 10 Language: German Character set encoding: ISO-Latin-1 *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK KONIGS RICHARD DES ZWEYTEN *** Produced by Delphine Lettau This Etext is in German. This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/. Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. Leben und Tod Königs Richard des zweyten. William Shakespeare Ein Trauerspiel. Übersetzt von Christoph Martin Wieland Personen. König Richard der Zweyte. Herzog von York. Johann von Gaunt, Herzog von Lancaster. Bolingbroke, Sohn des Johann von Gaunt, und nachmals König Heinrich der Vierte. Aumerle, Sohn des Herzogs von York. Mowbray, Herzog von Norfolk. Graf von Salisbury. Lord Berkley. Buschy, Bagot und Green, Diener des Königs Richard. Graf von Northumberland, Lord Percy, dessen Sohn, Roß und Willougby, Bolingbroks Freunde. Bischoff von Carlisle und Sir Stephan Scroop, Freunde des Königs Richard. Fizwater, Surry, Abbt von Westminster und Sir Pierce von Exton, Herren vom Parlament. Die Königin, König Richards Gemalin. Die Herzogin von Glocester. Die Herzogin von York. Hofdamen der Königin. Herolde, zween Gärtner, ein Kammerdiener, ein Hüter, ein Bote, und andre stumme Personen. Der Schauplaz ist in verschiednen Theilen von England. Erster Aufzug. Erste Scene. (Der Hof.) (König Richard, Johann von Gaunt, Lords und Gefolge treten auf.) König Richard. Johann von Gaunt, Herzog von Lancaster, ehrenvoller Greis; hast du, deinem Eid und deiner Pflicht gemäß, Heinrichen von Herford, deinen kühnen Sohn anhergebracht, um jene Anklage zu behaupten, die er unlängst gegen Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk angebracht, und die wir damals anzuhören keine Musse hatten? Gaunt. Ich habe ihn hieher gebracht, Gnädigster Herr. König Richard. So sage mir dann ferner: Hast du nicht von ihm erforscht, ob es nur ein alter eingewurzelter Groll gegen seine Person ist, was ihn zu dieser Klage angetrieben; oder die pflichtmäßige Treue eines guten Unterthanen, um einen geheimen Verräther in Mowbray zu entlarven? Gaunt. So viel als ich von ihm über diese Sache herausbringen konnte, so ist es kein Privat-Groll, sondern die vermeynte Entdekung einer über Eurer Hoheit schwebenden Gefahr. König Richard. So ruffe man sie dann vor unsre Gegenwart; wirs selbst wollen, Stirne gegen Stirne, den Kläger und den Beklagten reden hören: Sie sind beyde von sehr feuriger Gemüths-Art, beyde voll Grimms; in ihrer Wuth beyde taub wie die See, und rasch wie Feuer. Zweyte Scene. (Bolingbroke und Mowbray zu den Vorigen.) Bolingbroke. Möge eine lange Reyhe von Jahren, voll glüklicher Tage, meinem gnädigsten und geliebtesten Oberherrn bestimmt seyn! Mowbray. Und jeder Tag die Glükseligkeit des vorigen vermehren, bis der Himmel, der Erde soviel Glük mißgönnend, das Vorrecht der Unsterblichkeit zu eurer Crone hinzuthut. König Richard. Wir danken euch beyden; obgleich die Sache selbst, weßwegen ihr vor uns erschienen seyd, ein Beweis ist, daß uns einer von beyden schmeichelt. Vetter von Hereford, sage, was für Vorwürfe gegen den Herzog von Norfolk, Thomas Mowbray, hast du anzubringen? Bolingbroke. So wisset dann vor allen Dingen, Gnädigster König, und der Herr sey meiner Reden Zeuge! daß ich aus Antrieb der pflichtmäßigen Liebe eines getreuen Unterthanen, aus zärtlicher Sorge für die Erhaltung meines Fürsten, frey von Groll, Rachgier oder andrer unächter Absicht, als Ankläger hieher in seine königliche Gegenwart gekommen bin. Nun, Thomas Mowbray, wend' ich mich zu dir, und horche wol auf meinen Gruß; denn was ich reden werde, wird entweder dieser Arm auf Erden erproben, oder meine unsterbliche Seele im Himmel verantworten. So sag' ich dann: Du bist ein Verräther und Rebell, zu gut, ein solcher zu seyn, und zu schlimm, beym Leben zu bleiben; denn je schöner und crystallner der Himmel ist, desto häßlicher sehen die Wolken aus, die ihn befleken. Noch einmal, das Gewicht meiner Anklage zu verdoppeln, stopf ich dir mit dem schändlichen Namen eines Verräthers den Rachen, und wünsche, daß mir von meinem Gnädigsten Oberherrn erlaubt werde, an eben diesem Plaz und in diesem Augenblik, was meine Zunge gesprochen hat, durch mein recht- gezognes Schwerdt zu beweisen. Mowbray. Laßt nicht hier die Kälte meiner Worte meinen Eifer verdächtig machen; diese unsre Sache kan nicht mit den Waffen eines Weiberkriegs, dem bittern Geschrey zwoer scharfen Zungen, unter uns entschieden werden. Das Blut ist heiß, das für diß erkalten muß. Jedoch kan ich mich keiner so zahmen Geduld rühmen, mich stossen zu lassen, und gar nichts dazu zu sagen; und würde mich nicht die Ehrfurcht vor Eu. Hoheit zurük halten, meiner freyen Rede Zügel und Sporren zu geben, sie sollte schnell genug seyn, diese Beschuldigungen von Verrätherey zweyfach in seinen Rachen zurük zu stossen. Sezet aber das hohe Vorrecht seines königlichen Geblüts bey Seite, und laßt ihn nicht den Vetter meines Königs seyn, so biet ich ihm troz, und verschmähe ihn, nenne ihn eine verläumderische Memme, und einen nichtswürdigen Schurken, und bin bereit, ihm zu beweisen daß er's ist, an welchem Ort er will mit ihm zusammen zu kommen, und wenn ich gleich mit naktem Fuß auf die befrornen Gipfel der Alpen rennen müßte, oder in welche andre unbewohnbare Gegend es seyn mag, wohin nie kein Engländer es wagte seinen Fuß zu sezen. Indeß laßt diß meine Treue rechtfertigen: Bey allen meinen Hoffnungen, er hat die lügenhafteste Unwahrheit gesagt. Bolingbroke. Blasser, zitternder Verräther, hier zieh ich meinen Handschuh, lege die Vorrechte meines königlichen Geblüts bey Seite, und begebe mich des Vortheils, der Blutsverwandte eines Königs zu seyn, (worauf du aus Zagheit, nicht aus Ehrfurcht dich beruffen hast.) Wenn das bebende Bewußtseyn deiner Schuld dir noch so viel Stärke übrig gelassen hat, dieses Pfand meines Ehrenworts anzunehmen, so büke dich. Bey diesem, und bey allen andern Gesezen der Ritterschaft mach' ich mich anheischig, das was ich gesprochen habe, Arm gegen Arm, dir zu beweisen. Mowbray. Ich heb' ihn auf, und bey diesem Schwerdt schwör' ich, dessen sanfter Schlag die Ritterschaft auf meine Schulter legte; daß ich dir mit Speer und Schwerdt, nach ritterlichem Brauch und Sitte antworten will, und wenn ich mein Pferd besteige, möge ich nicht gesund wieder absteigen, wofern ich ein Verräther bin, oder für eine ungerechte Sache kämpfe! König Richard. Was ist es dann, was unser Vetter den Mowbray bezüchtiget? Es muß etwas Grosses seyn, was uns vermögen kan, dem blossen Gedanken einer bösen Gesinnung von seiner Seite Plaz zu geben. Bolingbroke. Höret was ich sage, mein Leben soll beweisen, daß es Wahrheit ist; dieser Mowbray, sage ich, hat achttausend Nobels* aufgenommen, unter dem Vorwand Eu. Hoheit Kriegs-Völker damit zu unterhalten, solche aber wie ein Verräther und schelmischer Bube zurük behalten, und für sich selbst zu lüderlichem Gebrauch angewandt. Überdas sag' ich, und will es durch einen Zweykampf beweisen, entweder hier, oder anderswo, sey es bis auf dem äussersten Stük Landes, das jemals ein Engländisches Aug' übersehen hat, daß alle Verräthereyen, die seit achtzehn Jahren in diesem Königreich angezettelt worden, von diesem treulosen Mowbray ihren ersten Ursprung genommen haben. Ferner sag' ich, und will es auf seinen ehrlosen Kopf beweisen, daß er Ursächer der Ermordung des Herzogs von Glocester war; daß er es war, der seine leichtgläubige Feinde aufstiftete, und daß er folglich es war, der wie ein feiger schelmischer Meuchelmörder sein unschuldiges Blut vergoß, welches izt, gleich Abels Blut, aus den stummen Gewölben der Erde zu mir um gerechte und strenge Rache schreyt. Und, bey dem glorreichen Werth dieses Bluts, das in meinen eignen Adern fließt, dieser Arm soll es vollziehen, oder dieses Leben soll aufgeopfert werden. {ed.-* Eine alte Münze, die an Werth etwas über sechs Englische Schillings betragen haben soll.} König Richard. Was sagst du hiezu, Thomas von Norfolk? Mowbray. O möchte mein Gebietender Herr sein Angesicht wenden, und seinem Ohr einen Augenblik taub zu seyn befehlen, bis ich diesem Schandflek seines Bluts gesagt habe, wie sehr Gott und Menschen einen so schändlichen Lügner hassen. König Richard. Mowbray, unsre Augen und Ohren sind ohne Partheylichkeit; wär' er unser Bruder, ja wär' er der Erbe unsers Reichs, wie er nur unsers Vaters Bruders-Sohn ist, dennoch sollte, ich schwör' es bey der Majestät meines Scepters, eine so nahe Verwandtschaft mit unserm geheiligten Blut ihm nicht das geringste Vorrecht geben, noch die unbiegsam Festigkeit unsrer aufrichtigen Seele partheyisch machen. Er ist unser Unterthan, Mowbray, wie du; rede frey und ungescheut, ich erlaub' es dir. Mowbray. So sag ich dann, Bolingbroke, in deinen verläumdrischen Hals hinein, du lügst! Drey Theile von der Summe, die ich für Calais erhielt, bezahlte ich an Sr. Hoheit Kriegs-Völker; das übrige behielt ich mit Einwilligung, für eine Schuld zurük, die ich an meinen König zu fordern hatte, den Rest der beträchtlichen Auslagen die ich machte, da ich lezthin nach Frankreich reißte, die Königin abzuholen. Nun, schluke diese Lüge hinab--Was Glocesters Tod betrift, so war ich's nicht, der ihn erschlug. Wofern jemand berechtigt seyn sollte, mit einer solchen Beschuldigung wieder mich aufzutreten, so wär' es der ehrenvolle Vater meines Feindes, ihr mein edler Lord von Lancaster; euch stellt' ich einst hinterlistig nach dem Leben, ein Verbrechen, das noch immer meine reuvolle Seele foltert; aber ich beichtete es, eh ich leztmals das Sacrament empfieng, und ich bat euch so aufrichtig um Verzeihung, daß ich sie erhalten zu haben hoffe. Diß ist mein Vergehen; alles übrige, dessen er mich anklagt, ist der Geifer eines grollsüchtigen, lügenhaften und höchst ausgearteten Verräthers; und zum Zeichen daß ich Muth habe, dieses mit meinem Leben zu beweisen, werf ich gleichfalls mein Pfand vor dieses übermüthigen Verräthers Füsse hin; in dem besten Blut, das in seinem Herzen wallt, will ich beweisen, daß ich ein rechtschaffner Edelmann bin; und damit ich nicht lange verziehen müsse, bitte ich Eu. Hoheit herzlichst, den Tag zu unserm Zweykampf anzusezen. König Richard. Ergrimmte Edle, laßt euch von euerm Fürsten zähmen; laßt uns diese Galle ohne blutvergiessen ausführen; Eure Wuth würde zu tiefe Einschnitte machen, und unsre Ärzte sagen, es sey izt nicht Zeit zum Bluten. Vergeßt, vergebt, vergleicht euch, und werdet zufrieden; mein lieber Oheim, helft mir diesen Zwist in seiner Geburt erstiken; wir wollen den Norfolk besänftigen, ihr euern Sohn. Gaunt. Es kan meinen Jahren nicht übel anstehen, wenn ich ein Friedensstifter bin. Sohn, wirf des Herzogs von Norfolk Pfand wieder hin. König Richard. Und ihr, Norfolk, werfet seines hin. Gaunt. Wie, Harry, du zögerst? Muß ich zweymal Gehorsam verlangen? Mowbray. Mich selbst, mein Gnädigster Souverain, werf' ich zu deinen Füssen; mein Leben kanst du fordern, aber nicht meine Ehre. Jenes ist meine Lehens-Pflicht dir schuldig; aber an meinen unbeflekten Namen hast du (troz dem Tode, der auf meinem Grabe lebt **) kein Recht, und nimmermehr werd' ich zugeben, daß er zur Schande mißbraucht werde. Ich bin hier angegriffen und beschimpft worden, bis in die Seele mit der Verläumdung vergiftetem Speer durchstochen, und diese tödtliche Wunde kan kein andrer Balsam heilen, als das Blut aus dem Herzen, welches diesen Gift ausgeathmet hat. {ed.-** Die Reime, womit dieses Stük hie und da verbrämt ist, sind nach Pope's Anmerkung, meist ausserordentlich schlecht, so schlecht, daß dieser scharfsinnige Criticus vermuthet, sie seyen von einer fremden Hand. Dieser jämmerliche Einfall, der in ( ) eingeschlossen ist, und alle andre von dieser Art durch dieses ganze Stük, sind dergleichen Reime, an die der Übersezer sich dann auch nicht gebunden halten wird.} König Richard. Wuth muß Widerstand finden; gieb mir sein Pfand: Löwen machen Leoparden zahm. Mowbray. Ja, aber sie löschen ihre Fleken nicht aus; nehmt nur meine Beschimpfung von mir, so will ich mein Pfand abtreten. Mein theurer, theurer Gebieter, der ächteste Schaz eines Mannes ist unbeflekte Ehre; ist diese verlohren, so sind Menschen nur übergüldeter Leim oder gemahlter Koth. Meine Ehre ist mein Leben, sie sind in eins verwachsen; nehmt mir meine Ehre, so habt ihr mein Leben genommen. So laßt mich dann meine Ehre bewähren, mein theurer Oberherr; in ihr leb' ich, und für sie will ich sterben. König Richard. Vetter, werft euer Pfand hin, macht ihr den Anfang. Bolingbroke. Der Himmel bewahre meine Seele vor einer so schändlichen Niederträchtigkeit. Wie, ich sollte mich vor meines Vaters Augen überwunden geben, oder mit einem blassen Bettler-Gesicht mich selbst vor diesem ausgeschämten Bastard anklagen? Eh meine Zunge einen solchen Laut von sich geben soll, eh sollen meine Zähne das sclavische Werkzeug der wiederruffenden Feigheit durchschneiden und sie blutend in Mowbrays schändliches Antliz speyen. (Gaunt geht ab.) König Richard. Wir sind nicht gebohren zu bitten, sondern zu befehlen; und da wir dieses nicht können, um euch auszusöhnen, so haltet euch, so gewiß als euer Leben dafür antworten soll, bereit, auf Sct. Lamberts Tag zu Coventry zu erscheinen. Dort sollen eure Lanzen und Schwerdter den schwellenden Zwist eures tiefgewurzelten Hasses entscheiden: Lord Marschall, ertheilt euern Herolden und Officieren Befehl, alles zu dieser feyerlichen Handlung zuzurüsten. (Sie gehen alle ab.) Dritte Scene. (Der Schauplaz verwandelt sich in des Herzog von Lancaster Palast.) (Gaunt und Herzogin von Glocester treten auf.) Gaunt. Ach, Schwester! Denkt ihr, daß eure Ausruffungen mich stärker als der Bruder-Name treiben können, gegen die Mörder von Gloster's Leben zu entbrennen? Aber da die Bestraffung dieser Übelthat in den nemlichen Händen ligt, welche die Übelthat begangen haben, so laßt uns unsre Sache dem Himmel anheim stellen, der, wenn er die Stunde dazu auf Erden gereift sieht, heisse Rache auf der Verbrecher Haupt regnen wird. Herzogin. Ist das alles, wozu der Name deines ermordeten Bruders dich treiben kan! Hat die Liebe nicht mehr Wärme in deinem alten Blut? Edwards sieben Söhne, wovon du selbst einer bist, waren wie sieben Phiolen mit seinem geheiligten Blut angefüllt, oder wie sieben schöne Zweige, aus einem Stamm entsprossen; einige von diesen sieben Phiolen sind durch den Lauf der Natur ausgetroknet, einige von diesen Ästen durch das Schiksal abgeschnitten; aber Thomas, mein theurer Gemal, mein Gloster, (eine Phiole voll von Edwards geheiligtem Blut, ein blühender Zweig aus seinem königlichen Stamm) ist gewaltthätig zerbrochen, und all sein kostbarer Saft verschüttet, ist umgehauen und alles sein Sommerlaub verwelkt, durch die Hand des Neids zerbrochen, durch des Meuchelmords blutige Axt umgefällt--Und du kanst gelassen bleiben? O, Gaunt, sein Blut war auch deines; eben dieses Ehebett, eben dieser Mutterleib, dieser Stoff, diese nemliche Form, so dich bildeten, machten ihn zum Menschen; in ihm, ob du gleich lebst und athmest, bist auch du erschlagen, ja du willigst gewisser Maassen in deines Vaters Tod ein, indem du deinen unglükseligen Bruder, ihn, der ein Theil von deines Vaters Leben war, so gleichgültig sterben siehst. Nenn' es nicht Geduld, Gaunt, es ist Muthlosigkeit; indem du so gelassen duldest, daß dein Bruder erschlagen worden, zeigst du den nakten Pfad zu deinem eignen Leben, und lehrst den unerbittlichen Mord dich auch zu mezeln. Das, was wir an gemeinen Menschen Geduld nennen, ist blasse, kalte Feigheit in einer edeln Brust. Was soll ich noch mehr sagen? Du kanst dein eignes Leben nicht besser sicher stellen, als wenn du Glosters Tod rächest. Gaunt. Diese Sache ist Gottes Sache; denn Gottes Substitut, sein gesalbter Statthalter, hat seinen Tod verursacht; geschah es unrechtmäßig, so überlaßt Gott die Rache; ich werde niemals einen feindseligen Arm gegen seinen Diener aufheben. Herzogin. Gegen wen, ach! gegen wen mag ich dann, ich Unglükselige, über mein Unrecht mich beklagen? Gaunt. Gegen den Himmel, den Beschüzer der Wittwe. Herzogin. Nun dann, so will ich; lebe wohl, alter Gaunt, lebe wohl. Du gehst nach Coventry, ein Zuschauer des Kampfs zwischen unserm Bruder Herford und dem lasterhaften Mowbray zu seyn. O, Himmel, lege meines Gemals erlidtnes Unrecht auf Herfords Speer, damit er des mördrischen Mowbrays Brust durchbohre; oder wenn unglüklicher Weise sein Speer ihn verfehlt, o! so laß Mowbrays Verbrechen so schwer in seinem Busen werden, daß es seinem schäumenden Rosse den Naken breche, und der Reuter, so lang er ist, in die Schranken falle, ein dem Tod verfluchtes Opfer, wiewol unwürdig von Herfords edler Hand zu sterben. Lebe wohl, alter Gaunt; die Unglükliche, die einst deines Bruders Weib war, hat nun keinen andern Gespielen als einen Jammer, der nur mit ihrem Leben enden kan. Gaunt. Schwester, lebet wohl; ich muß nach Coventry. Herzogin. Nur noch ein Wort; der Schmerz wird nie fertig; empfiehl mich meinem Bruder Edmund von York; sieh', das ist alles--Nein, geh' noch nicht--Ob diß gleich alles ist, so geh' nicht so schnell, es wird mir noch mehr beyfallen. Sag' ihm--O was? Sag' ihm, er solle mich, so bald als möglich, zu Plaschie besuchen. Aber, ach, was wird der gute alte York dort sehen, als leere Gemächer und öde Wände, unbevölkerte Nebenzimmer und unbetretne Steine? Was für einen andern Willkomm wird er hören, als meine Klagen? Sag' ihm also--Nein, laß ihn nicht hinkommen. Was kan sein Mitleiden mir helfen. Auf allen Seiten trostlos, will ich geh'n und sterben; diß lezte Lebewohl nimmt mein weinendes Auge von dir! (Sie gehen ab.) Vierte Scene. (Die Schranken zu Coventry.) (Der Lord Marschall, und der Herzog von Aumerle treten auf.) Marschall. Milord Aumerle, ist Harry Herford bewaffnet? Aumerle. Ja, vom Fuß bis zum Kopf, und wartet ungeduldig hereingelassen zu werden. Marschall. Auch der Herzog von Norfolk wartet voll ungeduldigen Feuers auf die Trompete des Appellanten. Aumerle. Die Kämpfer sind also gerüstet, und erwarten nur die Ankunft seiner Majestät. (Die Trompeten erschallen; und der König erscheint mit seinen Edeln; nachdem sie sich gesezt haben, tritt der Herzog von Norfolk, als Appellat, in voller Rüstung auf.) König Richard. Marschall, erforsche von jenem Ritter die Ursache, warum er hier in Waffen erscheint; frag' ihn nach seinem Namen, und lege ihm den gesezmäßigen Eid zu schwören auf. Marschall. In Gottes und des Königs Namen, sage wer bist, und warum erscheinst du hier in dieser ritterlichen Rüstung? Gegen wen kommst du, und was ist deine Sache? Antworte bey deiner ritterlichen Ehre, und auf deinen Eid, und so beschüze dich der Himmel und deine Tapferkeit! Mowbray. Mein Nam' ist Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk, und ich erscheine hier bey meinem Wort, das einem Ritter unverlezlich heilig seyn soll, beydes meine Treue und ritterliche Ehre zu Gott, meinem König und meinen Nachkommen, wider den Herzog von Hereford, meinen Ankläger, zu behaupten, und mit Gottes Gnade und der Stärke meines Arms ihm durch meine Vertheidigung zu beweisen, daß er ein Verräther gegen Gott, meinen König und mich ist; und so wie ich für eine gerechte Sache fechte, so schüze mich der Himmel! (Die Trompeten erschallen; Bolingbroke, als ein Appellant, tritt in vollen Rüstung auf.) König Richard. Marschall, frage jenen bewaffneten Ritter wer er ist, warum er hier in diesem kriegrischen Aufzug erscheint? Und laß ihn, unsern Gesezen gemäß, förmlich auf die Gerechtigkeit seiner Sache schwören. Marschall. Wie ist dein Nahme, und warum kommst du vor König Richards Gegenwart, in seine königliche Schranken? Gegen wen kommst du und was hast du für eine Sache? Rede, wie ein rechtschaffner Ritter, und so beschüze dich der Himmel! Bolingbroke. Ich bin Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby, und stehe hier in dieser Waffenrüstung, durch Gottes Gnade und meine Tapferkeit gegen Thomas Mowbray Herzog von Norfolk zu beweisen, daß er ein schändlicher und verderblicher Verräther an Gott im Himmel, dem König Richard und an mir ist, und so wie ich für Recht und Wahrheit kämpfe, beschüze mich der Himmel! Marschall. Bey Strafe des Todes erfreche sich niemand, diese Schranken zu berühren, als der Marschall, und diejenigen Officiers, welche zu Anordnung des Kampfs bestellt sind. Bolingbroke. Lord Marschall, laßt mich meines Königs Hand küssen und meine Knie vor seiner Majestät beugen; Mowbray und ich sind wie zween Männer, die eine lange und gefährliche Pilgrimschaft geloben; es sey uns also vergönnt einen feyrlichen Abschied von unsern Freunden zu nehmen. Marschall. Der Kläger bittet sich die Gnade aus, Euer Majestät seine Schuldigkeit zu bezeugen, und seinen Abschied zu nehmen. König Richard. Wir wollen herabsteigen, und ihn in unsre Arme schliessen. Vetter von Hereford, so wie deine Sache gerecht ist, so sey dein Glük in diesem königlichen Kampfe! Fahre wohl, mein Blut; und wenn dein Verhängniß ist, es an diesem Tag zu vergiessen, so werden wir trauren, aber keine Rache an dem Thäter nehmen. Bolingbroke. O laßt kein edles Aug' eine Thräne für mich entweihen, wenn ich durch Mowbrays Lanze falle! Aber so muthig wie ein Falke auf einen Vogel schießt, geh' ich mit Mowbray zu fechten. Mein theurer Herr, ich nehme meinen Abschied von euch, und von euch, mein edler Vetter, Lord Aumerle--nicht niedergeschlagen, ob ich gleich eine tödtliche Arbeit vor mir habe, sondern munter, jugendlich, und frölich athmend--O du, der irdische Schöpfer meines Wesens, (zu Gaunt.) dessen ehmaliger Jugend-Geist in mir wiedergebohren, mich mit zwiefacher Stärke emporhebt, den Sieg zu erreichen, der über meinem Haupte schwebt; stähle meine Rüstung durch dein Gebet, und schärfe durch deinen Segen die Spize meiner Lanze, daß sie Mowbrays gewichstes Wamms durchdringen und dem Namen Johann von Gaunt durch das edle Betragen seines Sohns einen neuen Glanz gebe! Gaunt. Der Himmel begünstige dich in deiner gerechten Sache! Sey behend im Streit wie der Bliz, und laß deine Streiche, zweymal verdoppelt, wie betäubende Donnerschläge auf den Helm deines verderblichen Gegners herab stürzen. Feure dein jugendliches Blut an, sey tapfer, und lebe! Bolingbroke. So helfen mir meine Unschuld, Gott, und St. George! Mowbray. Was für ein Loos auch der Himmel oder das Glük für mich ziehen mag, so leb' oder sterb' ich hier, getreu an König Richards Thron, ein pflichtmäßiger, redlicher und rechtschaffner Edelmann! Nie hat ein Gefangner mit einem frohern Herzen seine Ketten abgeworfen, und seine goldne unabhängige Befreyung umfaßt, als womit meine tanzende Seele an diesem Kampf mit meinem Feind, wie an einem Freuden-Fest sich erlustiget. Großmächtigster Oberherr, und ihr meine edlen Freunde, empfangt aus meinem Munde den Wunsch glüklicher Jahre! So freudig und guten Muths wie zu einem Ritterspiel, geh' ich zu diesem Kampf; Redlichkeit hat ein ruhiges Herz. König Richard. Fahre wohl, Milord; ich sehe Tugend und Muth ruhig in deinen Augen ligen. Ordnet den Kampf an, Marschall, und beginnt! Marschall. Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby, empfange diese Lanze, und der Himmel schüze dein Recht! Bolingbroke. Fest in Hoffnung wie ein Thurm, ruf ich Amen! Marschall. Geh, bringe diese Lanze Thomas, Herzogen von Norfolk. 1. Herold. Heinrich von Hereford, Lancaster und Derbey, steht hier für Gott, seinen Lehnsherrn und ihn selbst, bey Straffe falsch und meineidig erfunden zu werden, zu beweisen, daß Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk ein Verräther an seinem Gott, seinem König und ihm sey, muthig steht er hier und fordert ihm zum Kampf auf! 2. Herold. Hier steht Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk, bey Straffe falsch und meineidig erfunden zu werden, beydes sich selbst zu vertheidigen, und zu beweisen, daß Heinrich von Hereford, Lancaster und Derbey ein Verräther an Gott, seinem Lehnsherrn, und ihm sey; und er wartet muthvoll und mit Verlangen auf das Zeichen zum Anfang. (Man blaßt zum Angriff.) Marschall. Blaset Trompeten, und ihr Kämpfer, rüket aus--Doch halt! Der König hat seinen Stab hingeworffen. König Richard. Laßt sie ihre Helme und Lanzen bey Seite legen, und beyde zu ihren Stühlen zurük kehren; entfernt euch mit uns, und laßt die Trompeten schallen, bevor wir diesen Herzogen unsern Willen kund thun. (Trompeten.) König Richard (Zu den Kämpfern:) Kommt näher herbey, und höret, was wir mit unserm Rath gethan haben. Damit die Erde unsers Königreichs nicht mit diesem kostbaren Blute besudelt werde, dessen Mutter sie ist, und weil unsre Augen den gräßlichen Anblik bürgerlicher Wunden hassen, die von nachbarlichen Schwerdtern gegraben werden, und weil wir denken, daß nichts anders als der Adlerbeschwingte Stolz ehrsüchtiger und himmelan-strebender Gedanken euch mit eifersüchtigem Haß erfüllt und aufgereizt hat, den Frieden, der gleich einem sanftschlummernden neugebohrnen Kind, in der Wiege unsers mütterlichen Landes zu schlafen angefangen, wieder aufzuweken. Aus diesen Ursachen verbannen wir euch, Vetter von Hereford, bey Straffe des Todes aus unsern Gebieten; bis zehen Sommer unsre Felder bereichert haben, sollt ihr unsre blühenden Herrschaften nicht wieder grüssen, sondern die fremden Pfade der Verbannung betreten. Bolingbroke. Euer Wille geschehe! Mein Trost muß seyn, daß die nemliche Sonne, die euch hier erwärmt, mich bescheinen wird, und daß eben diese goldnen Stralen, die sie euch hier leiht, meine Verbannung vergülden werden. König Richard. Norfolk, auf dich wartet ein strengeres Urtheil, wiewol ich es nicht ohne Widerwillen anspreche. Die schnellgeflügelten Stunden werden deiner Verbannung kein Ziel bestimmen; das hoffnunglose Wort, nicht wiederzukehren, athme ich gegen dich bey Straffe des Todes. Mowbray. Ein hartes Urtheil, mein gebietender Oberherr, und aus Eurer Hoheit Mund gar zu unerwartet! Ich habe eine bessere Belohnung von Eurer Hand verdient, als so verstümmelt an die freye Luft hingeworfen zu werden. Die Sprache, die ich nun vierzig Jahre gelernt habe, mein angebohrnes Englisch, muß ich nun vergessen, und meine Zunge wird mir künftig nicht mehr nüzen, als eine unbesaitete Harfe, oder als ein feines Instrument in der Hand dessen, der es nicht zu spielen weiß. Ihr habt meine Zunge in meinen Mund eingekerkert, und stumme, gefühllose, unfruchtbare Unwissenheit ist der Kerkermeister, der mich bewachen soll. Ich bin zu alt, mich an den Busen einer neuen Säugamme zu schmiegen, oder wieder ein Lehrknabe zu werden. Was ist also Euer Urtheil, als die Verdammung zu einem sprachlosen Tod, der meiner Zunge das Leben nimmt? König Richard. Vergebens bemühst du dich unser Mitleiden zu erweken; Nachdem unser Urtheil ausgesprochen ist, kommen Klagen zu spät. Mowbray. So entweich ich dann aus dem Tag meines Vaterlands, um mein Leben in den traurigen Schatten einer hoffnunglosen Nacht zu enden. König Richard. Kommt wieder zurük und nehmt einen Eid mit euch. Legt eure verbannten Hände auf eure königlichen Schwerdter, und schweert bey eurer Pflicht zum Himmel, (den Antheil, den wir daran haben, verbannen wir mit euch selbst*) daß ihr den Eid halten wollet, den wir euch auferlegen. Nimmer sollt ihr während eurer Verbannung euch mit einander aussöhnen, keiner soll des andern Angesicht sehen, keiner auf welche Art es sey, einige Gemeinschaft mit dem andern unterhalten, vielweniger durch verabredete Entwürfe irgend etwas böses gegen uns, unsern Staat, unsre Unterthanen, und unser Land anzuspinnen oder auszuführen suchen; schwört diß, so wahr euch der Himmel helfe! {ed.-* Es ist eine Frage, worüber unter den Lehrern des Völker-Rechts viel gestritten worden, ob ein Verwiesener dem Staat, der ihn verbannt hat, dem ungeachtet mit der Pflicht der Treue zugethan sey. Cicero und der Lord Canzler Clarendon bejahen sie; Hobbes und Puffendorf behaupten das Gegentheil. Unser Autor scheint in dieser Zeile der leztern Meynung zu seyn. Warburton.} Bolingbroke. Ich schwöre. Mowbray. Und ich; alles diß zu halten. Bolingbroke. Norfolk, hätte der König es uns zugelassen, so wanderte izt die Seele von einem unter uns beyden in der Luft, verbannt aus unserm Leibe, wie izt unser Leib aus diesem Lande verbannt ist. Bekenne deine Verräthereyen, eh du aus diesem Reiche fliehst; schleppe nicht auf eine so weite Reise die hemmende Bürde einer schuldigen Seele mit dir. Mowbray. Nein, Bolingbroke; wann ich jemals ein Verräther war, so werde mein Nam' aus dem Buch des Lebens ausgelöscht, und ich vom Himmel wie von hinnen verbannt! Aber was du bist, das ist dem Himmel, dir und mir bekannt, und nur allzu bald, besorg' ich, wird es der König mit Reue erfahren. Lebet wohl, mein gebietender Herr; da ich England den Rüken kehren muß, ist jeder Weg mir gleich. (Er geht ab.) Fünfte Scene. König Richard (Zu Gaunt.) Oheim, ich sehe den Gram deines Herzens in den Spiegeln deiner Augen; dein kummervolles Aussehen hat von der Zahl seiner verbannten Jahre viere abgerissen; wenn sechs Winter verflossen sind, Bolingbrok, so kehre, mir willkommen, von deiner Verbannung heim. Bolingbroke. Welch eine lange Zeit ligt in einem einzigen kleinen Wort! Vier langsame Winter und vier muntre Frühlinge verliehren sich in einem Wort, so mächtig ist der Athem der Könige. Gaunt. Ich danke meinem gebietenden Herrn, daß er, in Ansehung meiner, meines Sohnes Verbannung um vier Jahre abkürzt; aber was wird diese Mildigkeit mir helfen, da eh die sechs, die er verliehren muß, verflossen sind, meine vom Alter aufgezehrte Lampe verloschen seyn kan? König Richard. Wie, Oheim, du hast noch viele Jahre zu leben. Gaunt. Aber keine Minute, König, die du geben kanst; du kanst meine Tage durch Gram abkürzen, du kanst Nächte von meinem Leben abreissen, aber du kanst mir keinen Morgen leihen; du, du kanst der Zeit helfen mich früher alt zu machen, aber keine einzige Falte von meiner Stirne nehmen; du kanst durch ein Wort meinen Tod gebieten, aber wenn ich todt bin, ist dein Königreich zu wenig, mir nur einen Athemzug zu kauffen. König Richard. Dein Sohn ist auf Einrathen unsers Staats-Rathes verbannt, und du selbst hast deine Stimme dazu gegeben; warum rümpfest du izt die Stirne über unsre Gerechtigkeit? Gaunt. Dinge, die im Münde süß sind, werden in der Verdauung sauer; ihr dranget in mich, daß ich als ein Richter reden sollte; aber ich wollte lieber ihr hättet mir befohlen als ein Vater zu reden. O! wär' es ein Fremder gewesen, und nicht mein Sohn, ich würde ein gelinderes Urtheil ausgesprochen haben. Weh mir! ich besorgte, man möchte mir eine übertriebne Nachsicht gegen die meinigen Schuld geben, und den Vorwurf der Partheylichkeit zu vermeiden, hab' ich durch meine Stimme mir selbst das Leben abgesprochen. König Richard. Vetter, lebe wohl; und ihr, Oheim, nehmt euern Abschied von ihm; wir verbannen ihn auf sechs Jahre, und er soll gehen. (Geht ab.) Sechste Scene. Aumerle. Vetter, leb wohl! Was wir uns gegenwärtig nicht sagen können, das laßt aus dem Ort eures Aufenthalts, eure Briefe sagen. Marschall. Milord, ich beurlaube mich nicht von euch; denn ich will an eurer Seite reiten, so weit mich das Land tragen wird. Gaunt. Warum bist du so sparsam mit deinen Worten, daß du die verbindliche Reden deiner Freunde nicht beantwortest? Bolingbroke. Ich habe ihrer zu wenige, zum Abschied nehmen, da meine Zunge verschwendrisch seyn sollte, den überströmenden Schmerz meines Herzens auszuathmen. Gaunt. Du hast keinen andern Schmerz als deine Abwesenheit; was sind sechs Winter? sie sind schnell vorüber. Bolingbroke. Für die Glüklichen; der Kummer macht aus einer Stunde zehen. Gaunt. Nenn es eine Reise, die du für dein Vergnügen machst. Bolingbroke. Mein seufzendes Herz würde mich lügen heissen, wenn ich eine Lustreise nennen wollte, was ihm eine gezwungne Pilgrimschaft ist. Gaunt. Alle Örter die des Himmels Auge besucht, sind für den weisen Mann sichre Porte, und Himmel voll Wonne. Lehre die Nothwendigkeit so denken, es ist keine Tugend über die Nothwendigkeit. Denke nicht, der König habe dich verbannt, sondern du den König. Ein Ungemach drükt uns nur heftig, wenn wir es unmännlich tragen. Geh, sage, ich habe dich weggeschikt, Ruhm zu erwerben; nicht, der König habe dich verbannt. Oder bilde dir ein, es hange fressende Pestilenz in unsrer Luft, und du fliehest unter einen reinen Himmel. Sieh, alles was deiner Seele theuer ist, davon bilde dir ein, es lig' in dem Weg den du gehst, nicht in dem, so du verlässest; bilde dir ein, die Vögel seyen Musicanten; das Gras worauf du trittst, der Fußboden eines grossen Saals; die Blumen, schöne Damen; und deine Schritte, ein frölicher Tanz. Der Kummer beißt nur schwach, sobald man einen Scherz daraus macht. Bolingbroke. O, wer kan Feuer in seiner Hand tragen, und an den befrornen Caucasus denken? Wer kan den nagenden Hunger durch die blosse Erinnrung an ein Gastmahl stillen; oder, wenn er nakend im December- Schnee gienge, sich durch die Vorstellung eines phantastischen Sommers erwärmen? O nein, die Vorstellungen des Guten schärfen nur das schmerzhafte Gefühl des Bösen, und der Zahn des giftigen Kummers-- Gaunt. Komm, komm, mein Sohn, ich will dich ein Stük Weges begleiten; hätt' ich deine Jugend und deine Sache, ich wollte keinen Augenblik zögern. Bolingbroke. So gehabe dich dann wohl, Engländischer Boden! Gehabe dich wohl, mein mütterliches Land, meine Säugerin, die noch diese kurzen Augenblike mich trägt. Wohin ich auch wandre, kan ich doch, obgleich verbannt, mich rühmen, daß ich ein echter Engländer bin. (Sie gehen ab.) Siebende Scene. (Der Hof.) (König Richard, Bagott, Green, u.s.w. treten zu einer, und Lord Aumerle zu der andern Thür herein.) König Richard (zu Bagott.) In der That, wir bemerkten es auch--Vetter Aumerle, wie weit habt ihr den hohen Hereford begleitet? Aumerle. Ich begleitete den hohen Hereford, wenn ihr ihn so nennen wollt, nicht weiter als bis an die nächste Landstrasse, und dort verließ ich ihn. König Richard. Und saget, sind viele Thränen beym Abschied vergossen worden? Aumerle. Meiner Treue, von mir keine, ausser daß der Nord-Ostwind, der uns sehr scharf ins Gesicht blies, mir ein wenig Wasser aus den Augen preßte, und dadurch von ungefehr unsern kalten Abschied mit einer Thräne zierte. König Richard. Was sagte euer Vetter, wie ihr Abschied nahmt? Aumerle. Leb wohl!--und weil sich mein Herz nicht überwinden konnte, meine Zunge dieses Wort so entheiligen zu lassen, so stellte ich mich, als ob ich so betrübt sey, daß ich vor Schmerz nicht reden könne. Auf meine Ehre, wenn das Wort Lebwohl die Stunden hätte verlängern und Jahre zu seiner Verbannungs-Zeit hinzu thun können, er sollte eine ganze Last Lebewohl bekommen haben; aber weil das nicht war, so kriegte er keines von mir. König Richard. Er ist unser Anverwandter, Vetter, aber es ist zweifelhaft, ob er, wenn ihn die Zeit aus seiner Verbannung einst zurük beruft, als unser Freund wieder kommen wird. Wir selbst, und Bagot hier, und Buschy, und Green, haben beobachtet, wie er dem gemeinen Volke den Hof machte; wie er mit demüthiger und vertraulicher Höflichkeit sich in ihren Herzen unterzutauchen schien; was für Reverenze er auf der Strasse vor Sclaven hinwarf; wie er das Mitleiden der ärmsten Handwerksleute durch die Zauberey seines Lächelns und die scheinbare Geduld, womit er sich seinem Unglük unterzog, zu erschleichen suchte. Als ob er verlangte, daß sie ihre Liebe und ihre Wünsche mit ihm verbannen sollten. Er zog seinen Hut vor einem Austern-Mensch ab, und ein paar Karrenzieher, die ihm zurieffen: Gott geleit ihn! empfiengen den Tribut seiner biegsamen Knie mit--grossen Dank, meine Landsleute, meine lieben Freunde; gleich als wäre England sein künftiges Erbtheil, und er die nächste Hoffnung unsrer Unterthanen. Green. Gut, er ist nun fort, und diese Gedanken mögen mit ihm gehen; eine wichtigere Sorge ist izt, Gnädigster Herr, wie den Aufrührern in Irland zu begegnen sey, eh ein längerer Aufschub ihnen mehr Mittel zu ihrem Vortheil und Eurer Majestät Schaden darbietet. König Richard. Wir wollen diesem Krieg in Person beywohnen; und weil unsre Kisten durch den Aufwand eines zu grossen Hofes, und durch unsparsame Freygebigkeit in etwas leicht worden sind, so sehen wir uns genöthiget, unsre Cron-Einkünfte zu verpachten; die Summen die uns dadurch eingehen, werden für die gegenwärtigen Angelegenheiten zureichen; und wenn sie auch ausgehen, so wollen wir unsern Substituten in England Vollmachten geben, alle reichen Leute, die ihnen bekannt werden, nach Proportion um beträchtliche Summen Gelds zu taxieren, und uns selbige nachzuschiken; denn wir wollen uns ungesäumt nach Irland erheben. (Buschy zu den Vorigen.) König Richard. Buschy, was giebt's? Buschy. Der alte Johann von Gaunt ist krank, Gnädigster Herr, hat einen plötzlichen Anstoß bekommen, und sendet einen Boten in gröster Eil hieher, Euer Majestät zu bitten, ihn mit einem Besuch zu begnadigen. König Richard. Wo ligt er? Buschy. Zu Ely-House. König Richard. Nun gieb doch, gütiger Himmel, seinen Ärzten in den Sinn, ihm ungesäumt in sein Grab zu helfen; das Futter von seinen Kisten schikt sich vortreflich, unsern Soldaten für diesen Irländischen Krieg Röke daraus zu machen. Kommt, meine Herren, wir wollen ihn besuchen; Gott gebe, daß wir eilen und zu späte kommen! (Sie gehen ab.) Zweyter Aufzug. Erste Scene. (Ely-House.) (Gaunt, der krank herein getragen wird; mit dem Herzog von York.) Gaunt. Will der König kommen, daß ich meinen lezten Athem in heilsamem Rath für seine noch verbesserliche Jugend aushauchen kan? York. Plaget euch selbst nicht, und verschwendet nicht so die wenige Kräfte, die ihr noch übrig habt; sein Ohr ist vor allem guten Rath verschlossen. Gaunt. Aber man sagt doch, daß die Zungen sterbender Menschen, gleich der zauberischen Harmonie zur Aufmerksamkeit nöthigen; sparsame Worte werden selten vergebens aufgewandt, denn diejenigen sagen die Wahrheit, die ihre Worte mit Schmerzen athmen müssen. Einer, der bald aufhören wird zu reden, wird eher gehört, als diejenigen, denen Jugend und Wohlaufseyn erlauben, sich in Worte zu ergiessen. Man giebt mehr auf der Menschen Ende acht, als auf ihr Leben; wie die Sonne nie mit mehr Vergnügen beschaut wird, als wenn sie untergeht, und an einer Musik nichts aufmerksamer macht als der Schluß. Ob Richard gleich die Räthe nicht hören wollte, die ich ihm in meinem Leben gab, so mag vielleicht der ernste Ton des Todes sein taubes Ohr durchdringen. York. Sein Ohr wird noch von andern Zaubertönen verstopft, als von dem schmeichelnden Lobe seiner Regierung; überdas giebt es ausschweiffende Gesellschafter, deren vergiftete Reden das ungewahrsame Ohr der Jugend immer offen finden; Erzählungen von Moden in dem stolzen Italien, dessen Sitten unsre blöde, affenmäßige Nation, beständig auf eine plumpe Art nachahmet. Wo treibt die Welt irgend eine Eitelkeit hervor, (wenn sie nur neu ist, sie mag so nichtswürdig seyn als sie will,) die nicht augenbliklich in seine Ohren gesumset wird? Wo der Wille, vom Wiz unterstüzt, sich wider die Vernunft empört, da kommt guter Rath allezeit zu spät; versuch' es nicht, denjenigen leiten zu wollen, der sein eigner Wegweiser seyn will; du würdest deinen Athem verliehren, und das ist gerade was dir mangelt. Gaunt. Mich däucht, ich bin ein neubegeisterter Prophet, und sterbend weissage ich so von ihm. Seine rasche, ausgelassene, unbezähmte Jugendhize, kan nicht von langer Dauer seyn; ein heftiges Feuer brennt sich bald selbst aus. Sanfte Regen dauren lange, plözliche Stürme gehen bald vorüber; der wird bald müde, der anfangs die Sporren zu stark gebraucht; und wer allzugierig ißt, hat am bäldesten genug. Leichtsinnige Eitelkeit, nachdem sie wie ein unersättlicher Vielfraß alle ihre Mittel verzehrt hat, wird bald gezwungen, sich selbst aufzuzehren. Dieser glorreiche Königs-Thron, diese bezepterte Insel, dieses majestätische Land, dieser Siz des Kriegs-Gottes, dieses andre Eden, dieses feste Castell, das die Natur für sich selbst aufgeworfen hat, um sich vor fremder Anstekung und feindseligem Anfall zu sichern, dieser edle Stamm von Menschen, dieser in die Silber-See eingefaßte Edelstein, dieser kleine Inbegriff der Welt, dem der umgebende Ocean für eine Mauer, oder für einen beschüzenden Graben gegen den Neid nicht so glükseliger Länder dient; diese Mutter und Sängerin königlicher Helden, welche ihr Vaterland furchtbar, ihre Geburt erlaucht, und ihre Thaten ruhmwürdig machen, wegen ihres christlichen Eifers und ihrer ritterlichen Tapferkeit so weit berühmt, als das Grab des Welt-Erlösers, in dem verstokten Judenlande von uns entfernt ist; dieses edle, würdige, theure Land, von dem glänzenden Ruhm seiner Söhne über alle andre emporgehoben, ist nun ausgemiethet, (ich sterbe, da ich es ausspreche) wie ein Pachthof oder Baurengut ausgepachtet! England, von der triumphierenden See umwunden, deren felsichtes Ufer den neidischen Siz des wäßrichten Neptuns zurükschlägt, ist auf eine schändliche Art in Fesseln von Pergament geworfen, und die Besiegerin andrer Völker hat eine schaamvolle Eroberung von sich selbst gemacht.* O! möchte diese Schmach mit meinem Leben sich enden, wie glüklich wäre mein Tod! {ed.-* Was für eine Rede in dem Mund eines alten sterbenden Prinzen, der sich über Engbrüstigkeit und kurzen Athem beklagt! Indessen war dieses schülerhafte rhetorische Gewäsche, diese auf einander gehäuften, übel zusammenpassenden Metaphern, und diese abmattenden Tautologien, die allgemeine Mode in unsere Autors Zeit.} Zweyte Scene. (König Richard, die Königin, Aumerle, Buschy, Green, Bagot, Roß und Willoughby zu den Vorigen.) York. Der König ist gekommen; gehet sanft mit seiner Jugend zu Werke; junge feurige Füllen, wenn sie aufgebracht werden, rasen nur desto mehr. Königin. Wie steht es um unsern edeln Oheim Lancaster? König Richard. Wie steht's Mann? Was macht der alte Gaunt? Gaunt. O dieser Name schikt sich für meinen Zustand!* Ja wohl der alte Gaunt, und nichts als Haut und Knochen (Gaunt) vor Alter! Der Kummer in mir, hat eine verdrießliche Fasten gehalten, und wer wird nicht mager, der sich des Fleisches enthalten muß? Lange hab' ich für das schlafende England gewacht, und Wachen zehrt ab und macht mager. Das Vergnügen wovon einige Väter sich nähren, der Anblik meiner Kinder ist mir gänzlich untersagt; und die Fasten, die du mir hierinn auferlegt hast, hat mich ganz mager gemacht, mager für das Grab, mager wie ein Grab, dessen holer Leib nichts als Knochen enthält. {ed.-* Alle diese Wortspiele, die in dem Mund eines Tertianers kindisch wären, und in dem Mund eines Sterbenden unerträglich sind, gründen sich auf die Bedeutung des Namens Gaunt, der im Englischen so viel heißt als mager, abgezehrt, der nur noch Haut und Knochen hat.} König Richard. Können kranke Leute so spizfündig mit Worten spielen? Gaunt. Nein, aber Elend hat keine andre Kurzweile, als über sich selbst zu spotten. [Weil du meinen Namen in mir zu tödten suchst, so spotte ich meines Namens, Grosser König, um dir zu schmeicheln.** {ed.-** Die Zeilen, die hier und in der Folge in [ ] eingeschlossen sind, sind im Original in Reimen.} König Richard. Sollen sterbende Leute den lebenden schmeicheln? Gaunt. Nein, nein, die lebenden Leute schmeicheln den Sterbenden. König Richard. Du, ein Sterbender, sagst ja, du schmeichelst mir. Gaunt. O nein, du stirbst, ob ich gleich kränker bin. König Richard. Ich bin gesund, ich athme, und sehe daß du übel bist. Gaunt. O! der, der mich erschuf, weiß es, daß ich Dich übel sehe.] Mir ist für mich selbst übel, aber gar zu übel, indem ich dich ansehe. Dein Todbette ist nichts geringers als dein Land, worinn du an deinem Ruhm krank ligst; und du, allzunachläßiger Patient, übergiebst deine gesalbte Person den nemlichen Ärzten zu heilen, die dich krank gemacht haben. Tausend Schmeichler sizen um den Cirkel deiner Crone herum, und ob dieser Cirkel gleich nicht grösser ist als dein Haupt, so verliehrst du doch mit ihm dein ganzes Land, welches er umspannt. O hätte dein Großvater mit dem Aug' eines Propheten vorhersehen können, daß seines Sohns Sohn seine Söhne zu Grund richten würde, er würde dir's unmöglich gemacht haben, dich selbst so zu entehren, indem er dich vor deiner Einsezung entsezt hätte, dich, der izt eingesezt ist, um sich selbst zu entsezen. Wie? Vetter! wärest du Herr der ganzen Welt, so wär' es dir doch schimpflich dein Land zu verpachten; aber da deine ganze Welt in diesem einzigen Lande besteht, ist es nicht mehr als Schande, es so zu entehren? Landsaß von England bist du, nicht König. Deine gesezmäßige Oberherrlichkeit ist eine Leibeigne des Gesezes, und du-- König Richard. Und du, ein mondsüchtiger aberwiziger Narr, der auf das Privilegium eines Fiebers hin, sich erfrecht, mit deinen kalten Erinnerungen unsre Wange blaß zu machen, und das königliche Blut mit Ungestüm von seinem natürlichen Siz zu treiben. Nun, bey der Majestät meines angestammten Throns, wärst du nicht ein Bruder von dem Sohne des grossen Eduard, die Zunge, die so frey in deinem Kopf herum rennt, sollte deinen Kopf von deinen unehrwürdigen Schultern herunter rennen. Gaunt. O schone meiner nicht, meines Bruder Edward's Sohn, weil ich seines Vater Edwards Sohn war. Das Blut das ich von ihm habe, hast du längst wie ein Pelican, ausgezapft, und in trunknem Muth verschmaußt. Mein Bruder Glocester, eine aufrichtige, wohlgesinnte Seele, (glüklich möge sie unter des Himmels seligen Geistern seyn!) hat schon zum Beyspiel dienen müssen, wie wenig du Bedenken trägst, Edwards Blut zu vergiessen. Vereinige dich immerhin mit meiner Krankheit, und brich durch deine Hartherzigkeit eine vorhin schon welke Blume ab! Leb' in deiner Schande, aber deine Schande sterbe nicht mit dir! Und mögen diese meine lezten Worte künftig deine Peiniger seyn! Tragt mich in mein Bette, und dann in mein Grab. Die mögen leben, die Liebe und Ehre haben! (Er wird hinweg getragen.) König Richard. Und laßt die sterben, die Alter und Launen haben; du hast beydes, und beydes gehört in ein Grab. York. Ich bitte euer Majestät, seine Reden der verdrießlichmachenden Krankheit und dem hohen Alter zu gut zu halten; er liebt euch, bey meinem Leben, so sehr als Heinrich von Hereford, wenn er hier wäre. König Richard. Recht, ihr sagt die Wahrheit, wie Herefords Liebe, so ist seine, und wie die ihrige so ist meine; und alles mag seyn wie es ist. Dritte Scene. (Northumberland zu den Vorigen.) Northumberland. Gnädigster Herr, der alte Gaunt empfiehlt sich Eurer Majestät. König Richard. Was sagt der alte Gaunt? Northumberland. Nichts mehr; er hat alles gesagt, was er zu sagen hatte; seine Zunge ist nun ein Instrument ohne Saiten; Sprache, Leben und alles hat den alten Lancaster verlassen. York. Möge York der nächste seyn, den dieses Schiksal trift. So arm der Tod ist, so endet er doch alles sterbliche Weh. König Richard. Die reiffeste Frucht fällt zuerst; seine Zeit ist abgelauffen, und die unsrige lauft noch; so viel hievon!--Nun müssen wir unsre Aufmerksamkeit auf die Irländischen Unruhen richten; wir müssen diese rohen zottelköpfichten Kernen* unterdrüken, eh die anstekende Empörung weiter um sich frißt; und da diese grossen Geschäfte einen ziemlichen Aufwand erfordern, so bemächtigen wir uns hiemit, zu unsrer Unterstüzung alles baaren Gelds, Gold- und Silbergeschirrs, aller Einkünfte, und aller beweglichen und unbeweglichen Güter, die der alte Gaunt verlassen hat. {ed.-* Nahme einer Art von leichtbewaffnetem Irländischem Fußvolk.} York. Wie lange werd' ich noch Geduld behalten? O wie lange wird noch eine, vielleicht zu schüchterne Empfindung meiner Pflicht, mich jede Ungerechtigkeit geduldig leiden machen? Nicht Glosters Tod, noch Herefords Verbannung, nicht Gaunts erlidtne Kränkungen, noch Englands einheimische Wunden, noch meine eigne Verachtung, haben mich jemals meine geduldige Stirne gegen meinen König rümpfen gemacht. Ich bin der lezte von des grossen Edwards Söhnen, von denen der Prinz von Wales, dein Vater der erste war. Im Krieg war kein Löwe kühner, im Frieden kein Lamm sanftmüthiger, als dieser edle junge Prinz. Du hast seine Gesichtsbildung, so sah er aus; aber wenn er die Stirne runzelte, so war es gegen die Franzosen, nicht gegen seine Freunde: Seine edle Hand gewann erst das was sie ausgab, und verthat nicht, was sein siegreicher Vater gewonnen hatte. Seine Hand wurde oft mit dem Blut der Feinde seines Hauses, niemals mit dem Blut der Seinigen besudelt. O Richard! York muß noch mehr sagen, oder er hat schon zu viel gesagt. König Richard. Wie, mein Oheim, was wollt ihr dann sagen? York. O mein Gnädigster Herr, vergebet mir, wenn es euch gefällt; wo nicht, so laß ich mir auch gefallen, daß ihr mir nicht vergebt. Ihr sucht euch der Ländereyen, Güter und Rechte des verbannten Hereford zu bemächtigen? Wenn Gaunt todt ist, lebt nicht Hereford? War Gaunt nicht redlich, und ist Heinrich nicht getreu? Verdiente jener nicht, einen Erben zu haben? Ist nicht sein Erbe ein verdienstvoller Sohn? Kanst du Herefords Rechte, kanst du seine Titel, Urkunden und wohlhergebrachte Gerechtsame aufheben, und gewiß seyn, ob du morgen noch seyn wirst, was du bist? Denn woher bist du ein König, als durch das Recht der Erbfolge? Wenn ihr gewaltthätiger Weise die Erbschaft Herefords an euch reissen, die Vollmacht seines General-Procurators, in seinem Namen davon Besiz zu nehmen, vernichten, und ihm die angebotne Huldigung versagen wollt; so häuft ihr tausend Gefahren über euer Haupt, verliehrt tausend wohlgesinnte Herzen, und reizet selbst meine sanftmüthige Geduld zu Gedanken, welche Pflicht und Ehre nicht denken können. König Richard. Denkt was ihr wollt; wir nehmen alle seine Güter, Mobilien, Baarschaften und Ländereyen, zu unsern Händen. York. Wenigstens will ich kein Augenzeuge davon seyn; lebet wohl, mein gebietender Herr; was hieraus entstehen wird, kan niemand sagen. Aber aus schlimmen Handlungen läßt sich ohne Mühe weissagen, daß ihre Folgen nicht gut seyn können. (Er geht ab.) König Richard. Geh, Buschy, ungesäumt zu dem Grafen von Wiltschire, und ersuch ihn zu uns nach Ely-House zu kommen, und der Vollziehung dieses Geschäftes vorzustehen. Morgen wollen wir nach Irland, es ist Zeit. Indessen ernennen wir, während unsrer Abwesenheit, unsern Oheim York zum Lord-Statthalter von England, denn er ist rechtschaffen, und war uns jederzeit zugethan. Kommet, meine Königin; morgen müssen wir uns scheiden; beruhigt euch, wir werden nicht lange abwesend seyn. (König Richard, Königin und Gefolge gehen ab.) Vierte Scene. (Northumberland, Willoughby und Roß bleiben.) Northumberland. Nun, Milords, der Herzog von Lancaster ist todt. Ross. Und lebt wieder in seinem Sohn, der nun Herzog von Lancaster ist. Willoughby. Dem Namen, nicht den Einkünften nach. Northumberland. Beyden nach, wenn Gerechtigkeit ihr Recht erhält. Ross. Mein Herz ist voll; aber es muß von Schweigen brechen, eh ihm eine freymüthige Zunge leichter machen kan. Northumberland. Bezieht sich das, was ihr reden möchtet, auf den Herzog von Hereford, so sagt es kühnlich heraus, Mann; mein Ohr horcht mit Freuden allem Guten entgegen, was von ihm gesagt wird. Ross. Alles Gute, was ich für ihn thun kan, ist, Mitleiden mit ihm zu haben, daß er seines Erbguts so beraubt worden ist. Northumberland. Nun, beym Himmel, Schande ist es, daß solche Kränkungen, solche Ungerechtigkeiten gegen ihn, einen königlichen Prinzen, und manche andre von edlem Blut, in diesem dem Umsturz nähernden Lande niederträchtig ertragen werden sollen! Der König ist nicht er selbst, unköniglich läßt er von Schmeichlern sich leiten; und was sie aus Raubsucht oder aus Haß gegen irgend einen aus uns anzetteln möchten, das wird der König nach der Schärfe gegen uns, unser Leben, unsre Kinder und Erben ausführen. Ross. Die Gemeinen hat er durch übermäßige Auflagen ausgesogen, und dadurch ihre Herzen verlohren; die Edeln hat er wegen abgestorbner Händel gebüßt, und ihre Herzen verlohren. Willoughby. Nichts destoweniger werden unter allerley Namen täglich neue Erpressungen ausgesonnen; aber, was um Gottes willen! soll endlich daraus werden? Northumberland. Kriege haben alle diese Summen nicht verzehrt; denn er hatte nie keinen Krieg, sondern gab vielmehr durch einen schimpflichen Verglich hin, was seine Vorältern durch Siege gewonnen hatten; er hat mehr Aufwand im Frieden gemacht, als sie in allen ihren Kriegen. Ross. Der Graf von Wiltschire hat das Königreich im Pacht. Willoughby. Der König ist Bankrutt worden. Ross. Und ungeachtet aller seiner schweren Auflagen, muß er den vertriebnen Herzog berauben, um Geld für diese Irländischen Unruhen zu haben. Northumberland. Seinen edeln Blutsverwandten!--Höchst ausgearteter König! Aber, Milords, wir hören dieses fürchterliche Gewitter singen, und suchen doch keinen Schirm gegen den Sturm; wir sehen den Wind unsern Segeln zusezen, und doch ziehen wir sie nicht ein, sondern gehen unbesorgt unter. Ross. Wir sehen den Schiffbruch vorher, und es ist noch keine Anstalt gegen die Gefahr gemacht, weil wir so geduldig die Ursachen unsers Schiffbruchs leiden. Northumberland. Nicht so; selbst durch die hohlen Augen des Todes, sehe ich Leben hervorschauen; aber ich darf es nicht sagen, wie nah' uns unsre Hülfe ist. Willoughby. Wir haben unsre Gedanken nicht vor dir verborgen; laß uns auch die deinigen theilen. Ross. Rede zuversichtlich, Northumberland; wir drey sind nur du selbst, und wenn du mit uns sprichst, sind deine Worte nur wie Gedanken; also rede kühnlich! Northumberland. So höret dann, meine Freunde, was für geheime Nachrichten ich von (Port le blanc), einem Hafen in Bretagne, habe. Heinrich von Hereford, Rainald, Lord Cobham, der unlängst mit dem Herzog von Exeter gebrochen hat; sein Bruder, der neue Erzbischoff von Canterbury, Sir Thomas Erpingham, Sir John Ramston, Sir John Norbrew--, Sir Robert Waterton, und Franz Coines; alle diese, von dem Herzog von Bretagne mit allen Nothwendigkeiten versehen, sind würklich im Begriff, mit acht langen Schiffen und dreytausend streitbaren Männern, eine Landung an unsern Nordischen Küsten zu wagen; vielleicht haben sie schon gelandet, und warten nur bis der König nach Irland abgegangen ist. Wann wir nun entschlossen sind, unser sclavisches Joch abzuschütteln, die gebrochnen Schwingen unsers sinkenden Vaterlandes wieder neu zu befiedern, die entehrte Crone von einem schimpflichen Versaz wieder einzulösen; den Staub abzuwischen, der unsers Scepters reines Gold verbirgt, und der Majestät ihre eigne Gestalt wieder zu geben: So folget mir schleunig nach Ravenspurg. Zaudert ihr aber, oder fürchtet ihr euch, so zu thun, so bleibet zurük, und seyd verschwiegen; so will ich allein gehen. Ross. Zu Pferd, zu Pferd! Laßt die zaudern die sich fürchten. Willoughby. Wenn anders mein Pferd aushält, so will ich der erste dort seyn. (Sie gehen ab.) Fünfte Scene. (Der Hof.) (Die Königin, Buschy und Bagot treten auf.) Buschy. Gnädigste Frau, Eure Majestät ist viel zu niedergeschlagen. Ihr versprachst dem König beym Abschied, alle sich selbsthärmende Gedanken zu entfernen, und eine frohe Gemüthsfassung zu unterhalten. Königin. Dem Könige zu gefallen, that ich's; mir selbst zu gefallen kan ich's nicht thun; und doch weiß ich keine Ursache, warum ich einen solchen Gast, wie der Kummer ist, willkommen heissen sollte, als diese, weil ich einem so werthen Gast, wie mein Richard ist, leb' wohl sagen mußte; und doch ist mir, als ob irgend ein noch ungebohrner Kummer, im Schooß des Schiksals reiffend, mir bevorstehe; meine innerste Seele zittert über etwas, ohne zu wissen was es ist; ausgenommen, daß es nicht die Trennung von dem König meinem Gemal ist. Buschy. Ein jeder würklicher Schmerz hat zwanzig Schatten die ihm gleich sehen, und es doch nicht sind; durch den Crystall blendender Thränen, sieht das Auge der Traurigkeit einen einzigen Gegenstand in viele gespalten. Gleich gewissen perspectivischen Figuren, die, wenn man sie geradezu anschaut, nichts als verworrene Striche zeigen, aber aus einem gewissen schiefen Sehpunct eine regelmäßige Gestalt darstellen, zeigen sich euch, indem ihr euers Gemals Abwesenheit seitwärts anseht, Gestalten von Kummer, welche, wenn sie angesehen werden, wie sie sind, nichts als blosse Schatten von dem was nicht ist, sind. Trauret also über nichts mehr als die Abreise euers Gemals; mehr ist nicht sichtbar, oder ist es doch nur aus dem falschen Gesichtspunct der Traurigkeit, die oft über eingebildete Übel, wie über wahre, weint. Königin. Es mag so seyn; und doch sagt meine innerste Seele mir etwas anders; dem sey wie ihm wolle, ich kann mich nicht erwehren traurig zu seyn, auf eine so bange Art traurig, daß wenn die Überlegung mir gleich sagt, es sey nichts, dieses ängstigende Nichts mich doch nichts desto minder schmachten und welken macht. Buschy. Es ist blosse Einbildung, meine gnädigste Königin. Königin. Nichts weniger als Einbildung; Einbildung entspringt allemal aus irgend einem vorhergegangenen Schmerz; so ist der meinige nicht. Denn Nichts hat das Etwas gebohren das mich ängstiget; aber was es ist, das ist noch unbekannt.* {ed.-* Im Original ist dieses viel spizfündiger gesagt: (For nothing hath begot my something-grief, Or something hath, the nothing that I grieve. But what it is, that is not yet Known, what I cannot name, 'tis nameless Woe, I wot.)} Sechste Scene. (Green zu den Vorigen.) Green. Der Himmel erhalte Euer Majestät!--Ich erfreue mich, euch zu sehen, meine Herren--Ich hoffe, der König hat sich noch nicht nach Irland eingeschift. Königin. Warum hoffst du das; es ist mehr Ursache zu hoffen, daß er's gethan habe; denn seine Absichten erfordern Behendigkeit, und seine Behendigkeit giebt gute Hoffnung; warum sagst du also, du hoffest er sey noch nicht zu Schiffe? Green. Damit Er, auf welchem alle unsre Hoffnung beruht, seine Macht zurük behalten hätte, um die Hoffnung eines Feindes zur Verzweiflung zu bringen, der trozig seinen Fuß in dieses Land gesezt hat. Der verbannte Bolingbroke hat sich selbst zurük beruffen, und ist mit emporgestrekten Waffen glüklich zu Ravenspurg angelangt. Königin. Das verhüte der Himmel! Green. O Gnädigste Frau, es ist nur allzuwahr; und was noch schlimmer ist, der Lord Northumberland, der junge Percy, sein Sohn, die Lords von Roß, Beaumond und Willoughby mit allen ihren mächtigen Freunden sind zu ihm übergegangen. Buschy. Wie? Habt ihr denn den Northumberland und alle von dieser rebellischen Rotte nicht für Verräther erklärt? Green. Das haben wir, und darauf hat der Graf von Worcester seinen Stab zerbrochen, seine Oberhofmeister-Stelle niedergelegt, und sich mit allen königlichen Haus-Bedienten zum Bolingbroke geflüchtet. Königin. O Green, du bist die Wehmutter meines Kummers. Nun hat meine Seele ihr Ungeheuer zur Welt gebracht. Bolingbroke ist die unglükliche Geburt meines ahnenden Weh's, und ich eine keuchende neu-entbundne Mutter, sinke aus einer Angst, einem Schmerz, in den andern. Buschy. Lasset den Muth noch nicht sinken, Gnädigste Frau. Königin. Und warum soll ich nicht? Ich will verzweifeln, ich will mit der betrügerischen Hoffnung in Feindschaft stehen; sie ist eine Schmeichlerin, die den Tod nur zurük hält, um durch ihre täuschenden Eingebungen das Gefühl seiner Streiche zu übertäuben. Siebende Scene. (York zu den Vorigen.) Green. Hier kommt der Herzog von York. Königin. Mit Zeichen des Kriegs um seinen bejahrten Naken. O, seine Blike sind von sorgenvollen Geschäften verdüstert! Guter Oheim, um des Himmels willen, eine tröstliche Zeitung! York. So müßte ich meine Gedanken belügen; der Trost ist im Himmel, und wir sind auf einer Welt, wo nichts als Kreuz, Sorge und Kummer lebt. Euer Gemal ist gegangen, um in der Ferne zu retten, was ihm andre indeß daheim entreissen. Ich ward hier zurük gelassen, um dieses Land zu unterstüzen; ich, der vom Alter gedrükt, kaum mich selbst tragen kan. Nun kommen die kranken Tage, die seine Ausschweiffungen nach sich gezogen haben; nun wird er seine Freunde, die ihm schmeichelten, kennen lernen. (Ein Bedienter kommt herein.) Bedienter. Milord, euer Sohn war schon abgereist, wie ich ankam. York. Schon abgereist; Nun, so geh alles, welchen Weg es will. Die Edeln sind übergegangen, die Gemeinen kalt, und wanken schon wie ich besorge, auf Herefords Seite--Geh du nach Plaschie, zu meiner Schwester von Glocester; bitte sie, daß sie mir unverzüglich tausend Pfund schike; halt, hier ist mein Ring. Bedienter. Milord, ich habe vergessen zu sagen, daß an dem nemlichen Tag da ich hinkam, und anfragte--Aber ich werde euch betrüben, wenn ich es sage. York. Was ist es dann? Bedienter. Eine Stunde eh ich kam, starb die Herzogin. York. Gerechter Himmel! Was für eine Fluth von Plagen stürzt sich auf einmal über dieses unglükselige Land! Ich weiß nicht, was ich thun soll; wollte Gott! der König hätte (ohne daß eine Untreue von mir ihn dazu aufgefordert hätte) meinen Kopf mit meines Bruders Gloster's seinem abschlagen lassen. Wie, sind schon Jacht-Schiffe nach Irland abgegangen? Wo sollen wir Geld zu diesem Krieg hernehmen? Kommt, Schwester; (Base, wollt' ich sagen,) ich bitte euch um Vergebung.-- (Zum Bedienten.) Geh' du heim, Bursche, bestelle einige Wagen, und belade sie mit den Waffen, die du finden wirst--Meine Herren, wollt ihr gehen, und die Truppen mustern? Ich versichre euch, daß ich nicht weiß, wie ich die Sachen, in der Unordnung, worinn sie mir in die Hände gegeben worden, ordnen soll.--Beyde sind meine Bruders-Söhne; der eine ist mein Souverain, beydes mein Eid und meine Pflicht befiehlt mir, ihn zu schüzen; der andre, gleichfalls mein Neffe, hat Unrecht vom König erlidten; Gewissen und Natur befehlen mir seinem Recht beyzustehen. Nun, etwas muß gethan seyn: Kommt, Base, ich will für eure Sicherheit sorgen. Geht, mustert eure Leute, und erwartet mich zu Berkley-Castle; ich will auch nach Plaschie--Aber die Zeit wird es nicht zulassen. Alles ist uneben, alles in der äussersten Unordnung. (York und die Königin gehen ab.) Achte Scene. Buschy. Der Wind ist günstig, neue Zeitungen nach Irland zu schiken, aber bringt keine zurük. Wir werden nimmermehr eine hinlängliche Macht, um dem Feind Widerstand zu thun, aufbringen können. Green. Ausserdem sind wir dem Haß derer, die den König hassen, desto näher, je näher wir der Liebe des Königs sind. Bagot. Und das sind die unbeständigen Gemeinen; ihre Liebe ligt in ihrem Beutel; wer ihren Beutel ausleert, füllt ihre Herzen mit tödtlichem Haß. Buschy. Wenn dieses ist, so ist der König mit allen Stimmen verurtheilt. Bagot. Und so ist uns unser Urtheil auch gesprochen. Green. Gut; ich will zu meiner Sicherheit nach Bristol, der Graf von Wiltschire ist schon da. Buschy. Ich will mit euch; denn von den erbitterten Gemeinen haben wir nicht viel bessere Dienste zu gewarten, als daß sie uns in Stüken zerreissen werden. Wollt ihr mit uns, Bagot? Bagot. Nein; ich will zu Sr. Majestät nach Irland. Lebet wohl; wenn mir mein Herz die Wahrheit sagt, so werden wir Drey nimmer wieder zusammen kommen. Buschy. Das kommt darauf an, ob York den Bolingbroke zurükschlagen wird. Green. Der arme York! Das Geschäfte, das er übernommen hat, ist nicht leichter, als wenn er den Sand zählen, und das Meer austrinken wollte. Wenn einer an seiner Seite ficht, so werden tausend fliehen. Buschy. Lebet wohl für ein und allemal. Green. Wir können einander wol wieder sehen. Bagot. Ich besorge, nimmer. (Sie gehen ab.) Neunte Scene. (Verwandelt sich in eine wilde Gegend, in Glocester-Schire.) (Bolingbroke und Northumberland treten auf.) Bolingbroke. Wie weit ist es noch, Milord, von hier nach Berkley? Northumberland. Ich bin hier fremde in Glocester-Schire; diese hohen wilden Hügel, und diese rauhen unebnen Wege, machen unsern Marsch langsam und sehr beschwerlich; und doch hat eure angenehmste Gesellschaft mich beydes vergessen gemacht. Ich bedaure nur Roß und Willoughby, die auf ihrem Weg von Ravenspurg nach Cotschold das Glük ermangeln müssen, so ich izt geniesse; doch die Hoffnung erleichtert ihnen den ihrigen, und die Hoffnung des Genusses genießt beynahe schon so viel, als der Genuß selbst. Bolingbroke. Eure Freundschaft treibt den Werth meiner Gesellschaft viel zu hoch, aber wer kommt hier? (Percy zu den Vorigen.) Northumberland. Es ist mein Sohn, der junge Heinrich Percy, von meinem Bruder Worcester abgeschikt: Woher, Harry, was macht dein Oheim? Percy. Ich hoffte, Milord, bey euch Nachricht von ihm zu holen. Northumberland. Wie, ist er nicht bey der Königin? Percy. Nein, Milord, er hat den Hof verlassen, seinen Stab zerbrochen, und die Königliche Hofstatt zerstreut. Northumberland. Wie? Aus was Ursache? Er war nicht so gesinnt, da ich ihn das leztemal sprach. Percy. Weil Euer Gnaden als ein Verräther ausgeruffen worden ist. Er ist nach Ravenspurg abgegangen, um dem Herzog von Hereford seine Dienste anzubieten; und mich hat er nach Berkley geschikt, um die Stärke der Kriegs-Völker zu erkundigen, die der Herzog von York daselbst zusammengebracht hat, mit dem Befehl von da gerade nach Ravenspurg zu eilen. Northumberland. Hast du den Herzog von Hereford vergessen? Percy. Nein, Milord, man kan nicht vergessen, wessen man sich nie erinnert hat; meines Wissens hab' ich ihn in meinem Leben nie gesehen. Northumberland. So lern' ihn dann izt kennen; diß ist der Herzog. Percy. Gnädigster Herr, ich erbiete euch meine Dienste, so wie sie sind, schwach, roh und jugendlich; zunehmende Jahre werden sie reiffer, und euers Beyfalls würdiger machen. Bolingbroke. Ich danke dir, edler Percy; sey versichert, daß ich mich in nichts anderm so glüklich schäze, als in einem Herzen, das seiner guten Freunde nicht vergessen kan; und so, wie mein Glük mit deiner Liebe reiffen wird, soll es jederzeit die Belohnung deiner treuen Liebe seyn. Mein Herz macht diesen Vertrag, und hier siegelt ihn meine Hand. Northumberland. Wie weit ist es von hier nach Berkley? und was für Bewegungen macht der gute alte York mit seinen Truppen dort? Percy. Das Schloß steht dort hinter jenem Gebüsche, und ist, wie ich hörte, mit dreyhundert Mann besezt; die Lords, York, Berkley und Seymour sind darinn, sonst niemand von Namen und Ansehn. (Roß und Willoughby zu den Vorigen.) Northumberland. Hier kommen die Lords von Roß und Willoughby, blutig vom Spornen, und feuerroth von Eile. Bolingbroke. Willkommen, Milords; ich weiß, eure Liebe verfolgt einen verbannten Verräther; alle meine Schäze bestehen noch in leerem Dank, der, wenn er reicher geworden ist, die Vergeltung eurer Liebe und eurer Dienste seyn soll. Ross. Eure Gegenwart macht uns reich genug, Milord; Willoughby. Und ersezt uns die Arbeit überflüßig, wodurch wir sie erhalten haben. Bolingbroke. Immer mehr Dank!--(die Wiedervergeltung der Armen,) bis mein noch unmündiges Glük zu Jahren kommt, müssen Worte für mein erkenntliches Herz Bürge seyn. Aber wer kommt hier? (Berkley zu den Vorigen.) Northumberland. Es ist Milord von Berkley, däucht mich. Berkley. Milord von Hereford, mein Auftrag geht an euch. Bolingbroke. Milord, meine Antwort ist zu Lancaster; ich bin gekommen, diesen Namen in England zu suchen, und ich muß diesen Titel in eurer Zunge finden, eh ich auf etwas antworten kan, das ihr sagt. Berkley. Meine Absicht, Milord, ist gar nicht, einen Titel von euern Würden wegzunehmen; ich komme zu euch, Milord, (Lord wovon ihr nur wollt) von demjenigen der izt der Erste in diesem Land ist, von dem Herzog von York, um zu erfahren, was euch antreibt, den Vortheil der Abwesenheit des Königs zu nehmen, und unsern angebohrnen Frieden durch einheimische Waffen zu schreken? Zehnte Scene. (York zu den Vorigen.) Bolingbroke. Ich werde nicht nöthig haben, meine Antwort durch euch zu versenden; hier kommt Se. Gnaden selbst. Mein edler Oheim! (Er kniet vor ihm nieder.) York. Zeige mir, statt diesen betrüglich demüthigen Knien ein aufrichtig unterwürfiges Herz. Bolingbroke. Mein gnädigster Oheim! York. Stille, stille; ich will nichts von deinen Titeln; ich bin keines Verräthers Oheim, und das Wort Gnade wird in einem verbrecherischen Mund entweiht. Warum haben deine geächteten, verbannten Füsse sich erfrecht, den Staub von Englands Boden zu betreten? Und, was noch ärger ist, wie haben sie sich erfrecht, so viele Meilen über ihren friedsamen Busen einher zu ziehen, und ihre erblassenden Einwohner mit dem Gepränge einer kriegrischen Schlacht-Ordnung zu schreken? Kommst du, weil der gesalbte König abwesend ist? Wie, unbesonnener Jüngling, der König ist noch da, seine Gewalt ligt in einem treuvollen Busen. Wär' ich nur noch Herr von jener jugendlichen Stärke wie damals, da der brave Gaunt, dein Vater, und ich, den schwarzen Prinzen, diesen jungen Kriegsgott, mitten aus den Linien von zehntausend Franzosen erledigten; o! wie schnell sollte dieser izt entnervte Arm, deinen Übermuth züchtigen! Bolingbroke. Mein gnädigster Oheim, laßt mich nur erst wissen, von was für einer Art mein Verbrechen ist. York. Von der schlimmsten Art, Aufruhr und fluchwürdiger Hochverrath. Du bist ein Landsverwiesener, und kommst hier, bevor deine Zeit verflossen ist, in herausfordernden Waffen deinem Oberherrn Troz zu bieten. Bolingbroke. Wie ich verwiesen wurde, war ich Hereford; nun, da ich komme, komme ich für Lancaster. Ich bitte Euer Gnaden, betrachtet das Unrecht, das mir zugefügt worden, mit einem unpartheyischen Auge. Ihr seyd mein Vater, denn mich däucht, in euch sehe ich den bejahrten Gaunt wieder lebend. O! denn, mein Vater! Könnt ihr gestatten, daß ich verurtheilt seyn soll, ein herumschweifenden Flüchtling zu seyn, und aller meiner Rechte und Regalien beraubt, gleichgültig zuzusehen, wie sie unter lumpichte Taugenichts ausgetheilt werden, die gestern noch Bettler waren? Wozu war ich gebohren? Wenn der König mein Vetter, König von England ist, so muß es unstreitig seyn, daß ich Herzog von Lancaster bin. Ihr habt einen Sohn, den Aumerle, mein edler Vetter; wäret ihr zuerst gestorben, und er wäre so niedergetreten worden, er würde in seinem Oheim Gaunt einen Vater, einen eifrigen Verfechter seines Rechts, gefunden haben. Man versagt mir die Besiznehmung von meinen angeerbten Titeln und Gütern, wozu mir doch meine Patenten die Befügniß geben. Meines Vaters Güter werden zerstreut und verkauft, und wie alles übrige unnüzer Weise durchgebracht. Was wollt ihr, daß ich in solchen Umständen thun soll? Ich bin ein Unterthan, und reclamire das Gesez; man versagt mir Anwalde, ich bin also genöthigt, in eigner Person die Ansprüche an mein angestammtes Erbgut gelten zu machen. Northumberland. Der edle Herzog ist zu sehr gekränkt worden. Ross. Es ligt nur bey euer Gnaden, ihm Recht wiederfahren zu lassen. Willoughby. Schlechte Leute sind durch seine Erbgüter groß gemacht worden. York. Milords von England, laßt mich euch sagen, daß ich gegen die Kränkungen meines Neffen nicht unempfindlich gewesen bin, und mich so sehr ich konnte bemühet habe, ihm sein Recht zu verschaffen. Aber auf eine solche Art zu kommen, in trozigen Waffen zu kommen, und sein Recht durch unerlaubte Gewalt zu suchen, das geht nicht an; und ihr, die ihr ihm hierinn beysteht, begünstiget die Empörung, und seyd alle Rebellen. Northumberland. Der Herzog hat geschworen, daß er nur gekommen sey, sein Recht zu suchen; und ihm zu diesem zu verhelfen, haben wir alle durch einen theuren Eid uns anheischig gemacht; und mög' auf ewig den die Freude meiden, der seinen Eid bricht! York. Gut, gut, ich sehe den Ausgang dieser Waffen; ich muß es bekennen, es ist nicht in meiner Macht, ihn zu verhindern; aber könnte ich's, bey dem der mich erschaffen hat! ihr solltet mir alle gebunden und in den Staub gebükt, euer verwürktes Leben von der königlichen Gnade erflehen! Nun, da ich ohne Kräfte bin, so wisset, daß ich soviel als neutral bleiben werde. Und hiemit gehabt euch wohl; es wäre dann, daß es euch beliebte, in dieses Schloß zu kommen, und die Nacht da auszuruhen. Bolingbroke. Ein Anerbieten, mein Oheim, das wir annehmen wollen; aber wir müssen Euer Gnaden erbitten, mit uns nach Bristol-Castle zu gehen, worinn, wie man sagt, Buschy, Bagot, und ihre Mitschuldigen sich halten, diese Raupen des gemeinen Wesens, die ich auszureuten geschworen habe. York. Es mag seyn, ich will gehen--Doch nein, laßt mich ruhig bleiben; ich will nicht von denen seyn, die die Geseze meines Vaterlands brechen. Weder Feinde noch Freunde, seyd ihr mir willkommen; und Dinge, denen nicht mehr zu helfen ist, sollen mich auch nicht mehr bekümmern. (Sie gehen ab.) Eilfte Scene. (In Wales.) (Salisbury und ein Officier treten auf.) Officier. Milord von Salisbury, wir haben zehen Tage gewartet, und die gröste Mühe gehabt, unsre Landleute bey einander zu behalten; da wir aber noch immer keine Nachrichten von dem König erhalten, so wollen wir wieder auseinander gehen. Lebet wohl! Salisbury. Gedulde dich nur noch einen einzigen Tag, du rechtschaffner Welschmann; der König sezt all sein Vertrauen in dich. Officier. Man glaubt, der König sey todt; wir warten nicht länger. Die Lorbeer-Bäume in unserm Lande sind alle verdorben, Wunderzeichen schreken die Fix-Sterne vom Himmel; der bleiche Mond schaut blutig auf die Erde herab, und hagre Propheten lispeln furchtbare Veränderung. Reiche Leute sehen traurig aus, und Bettler und Spizbuben tanzen und springen; die eine, aus Furcht zu verliehren was sie gewonnen haben, die andre, in Hoffnung durch Krieg und Zerrüttung zu gewinnen. Alles dieses sind Zeichen, die den Tod der Könige ankündigen--Lebet wohl; unsre Landleute sind alle wieder auseinander gegangen, und lassen sich nicht benehmen, daß König Richard todt sey. (Er geht ab.) Salisbury. Ach! Richard! ach! mit thränenbeladnen Augen seh' ich deinen Glanz, gleich einem fallenden Stern, vom Firmament zur Erde sinken. Die Sonne sizt weinend im niedrigen West, und propheceyt Stürme, Unruhen und Unglük. Deine Freunde sind zu deinen Feinden übergegangen, und alle Umstände vereinigen sich zu deinem Verderben. (Er geht ab.) Dritter Aufzug. Erste Scene. (Bolingbroks Lager zu Bristoll.) (Bolingbroke, York, Northumberland, Roß, Percy, Willoughby, mit Buschy, und Green, als Gefangnen treten auf.) Bolingbroke. Bringt diese Männer näher herbey--Buschy, und Green, ich will eure Seelen da es nun an dem ist, daß sie von ihren Leibern scheiden müssen, nicht mit so harten Vorwürfen ängstigen, als euer verderbliches Leben verdient hat, denn das wäre Unbarmherzigkeit; aber um euer Blut von meinen Händen zu waschen, will ich hier, vor dieser Versammlung, einige Ursachen eures Todes entfalten. Ihr habt einen Fürsten, den seine Geburt und sein angebohrner Edelmuth zu einem grossen und glüklichen Könige bestimmte, mißgeleitet, verderbt und unglüklich gemacht. Ihr habt ihn durch die Ausschweiffungen, wozu ihr ihn reiztet, in gewissem Sinn von seiner Königin geschieden, die geheiligten Rechte eines königlichen Ehbettes geschmälert, und die schönen Wangen einer liebenswürdigen Fürstin durch die Thränen beflekt, die eure Beleidigungen aus ihren Augen erpreßten. Ich selbst, durch das Glük meiner Geburt, ein Prinz vom königlichen Geblüte, und von dem König, meinem Blutsverwandten, werth gehalten, bis ihr durch giftige Eingebungen mich ihm verdächtig gemacht; ich selbst habe meinen Naken unter euern Verfolgungen beugen müssen, und, das bittre Brodt der Verbannung essend, meinen Engländischen Athem in ausländische Wolken verseufzt; indeß, daß ihr meine Herrschaften aufgezehrt, meine Waldungen und Lusthayne ausgehauen, mein Wappen von meinen Thoren abgerissen, und mir kein andres Zeichen übrig gelassen habt, wodurch ich der Welt zeigen kan, daß ich ein Edelmann bin, als die Meynung der Leute und das Blut in meinen Adern: Dieses und viel mehr, viel mehr als zweymal so viel, verurtheilt euch zum Tode. Sehet, daß ihr Urtheil an ihnen vollzogen werde. Buschy. Willkommner ist mir der Streich des Todes, als Bolingbroke England ist--Milords, gehabt euch wohl. Green. Mein Trost ist, daß der Himmel unsre Seelen aufnehmen, und die Ungerechtigkeit mit den Qualen der Hölle straffen wird. Bolingbroke. Milord von Northumberland, sehet, daß sie abgethan werden--Mein Oheim, ihr sagtet, die Königin befinde sich in ihrem Hause; um des Himmels willen, sorget davor, daß ihr geziemend begegnet werde; sagt ihr, daß ich sie meiner Ehrfurcht und Ergebenheit versichre; traget ja Sorge dafür, daß ihr mein Gruß überbracht werde. York. Ich habe einen von meinen Edelleuten mit Briefen abgeschikt, worinn eure freundschaftliche Gesinnungen ausführlich erklärt sind. Bolingbroke. Ich danke euch, mein gütiger Oheim, kommt, Milords, kommt, zum Gefecht mit Glendower und seinen Anhängern; noch eine Weile Arbeit, und dann Feyer-Abend. (Sie gehen ab.) Zweyte Scene. (Verwandelt sich in eine Küste von Wales.) (Trummeln und Trompeten. König Richard, Aumerle, der Bischoff von Carlisle, und Soldaten treten auf.) König Richard. Barkloughly-Castle nennt ihr jenes dort? Aumerle. Ja, Gnädigster Herr; wie findet Eure Majestät die Landluft, nach den Beschwerlichkeiten der See? König Richard. Sie muß mir wol angenehm seyn--Freuden-Thränen erfüllen meine Augen, da ich noch einmal wieder den Boden meines Königreichs betrete. Theure Erde, ich umarme dich, obgleich Aufrührer dich mit den Hufen ihrer Pferde verwunden. Wie eine lang von ihrem Kinde getrennte Mutter, beym Wiedersehn lächelnd in zärtliche Thränen zerfließt, so grüß' ich dich, zugleich weinend und lächelnd, meine Erde, und drüke dich an meine Königliche Brust. O, nähre nicht deines Königs Feind, holde Erde, und labe nicht mit deinen Erquikungen seinen raubgierigen Muth: Sende die Schlangen, die deinen Gift in sich saugen, und schwellende Kröten in ihren Weg, ihre verräthrischen Füsse zu verwunden, die mit gewaltthätigen Tritten dich stampfen; und wenn sie eine Blume von deinem Busen pflüken wollen, so bewaffne sie, ich bitte dich, mit einer laurenden Natter, deren zweygespizte Zunge den Tod in die Adern der Feinde deines Herrn sprize. Spottet nicht, Milords, daß ich leblose Dinge beschwöre; diese Erde wird ein Gefühl haben, und diese Steine werden zu bewaffneten Kriegern werden, eh ihr gebohrner König unter den Waffen schändlicher Empörer fallen soll. Bischoff. Fürchtet euch nicht, Gnädigster Herr; diese Gewalt, die euch zum Könige schuf, hat Macht genug, euch troz aller Welt als König zu erhalten. Aber wir müssen die Mittel ergreiffen, die uns der Himmel anbietet. Aumerle. Seine Meynung ist, daß wir zu schläfrig sind, Gnädigster Herr, und dem Bolingbroke Zeit lassen, durch unsre Sicherheit immer stärker zu werden. König Richard. Untröstlicher Vetter, weißst du nicht, daß wenn das forschende Auge des Himmels hinter unsrer Halbkugel verborgen ist und der Unterwelt leuchtet, daß dann Diebe und Mörder ungesehn herumschleichen und Räubereyen und blutige Gewalt verüben; aber sobald die wiederkehrende Sonne die stolzen Gipfel der östlichen Hügel glühen macht, und ihr Licht durch jede verbrecherische Gruft blizt, daß dann Mord und Verrath und jede schändliche Sünde, aus der Finsterniß schwarzem Mantel hervorgezogen, bloß und nakend da stehn, und über sich selbst erzittern? So, wenn dieser Räuber, dieser verräthrische Bolingbroke, der während dieser ganzen Nacht, da wir unsern Lauf bey den Antipoden vollbrachten, ungestört herumschwärmte, uns unsern Thron im Osten besteigen sehen wird, werden seine Verräthereyen, in seinem schaamglühenden Angesicht enthüllt, den Tag nicht ertragen können, der sie vor ihrer eignen grauenvollen Gestalt erzittern machen wird. Alle Wasser der ungestümen See sind nicht fähig, das geheiligte Öl von einem gesalbten Könige wegzuwaschen; und der Athem sterblicher Menschen kan denjenigen nicht entsezen, den der Herr zu seinem Statthalter ernannt hat. Für einen jeden Mann, den Bolingbroke aufgetrieben hat, sein Schwerdt gegen unsre Crone zu ziehen, hat der Himmel für seinen Richard einen glorreichen Engel in himmlischem Sold, und wo Engel fechten, da müssen schwache Menschen fallen.-- Dritte Scene. (Salisbury zu den Vorigen.) König Richard. --Willkommen, Milord, wie weit ist eure Macht entfernt? Salisbury. Weder näher noch ferner als dieser schwache Arm, mein Gnädigster Herr. Ich habe trostlose Zeitungen zu bringen. Ein einziger Tag zu spät, hat alle deine glüklichen Tage auf Erden umwölkt. O ruffe den gestrigen Tag zurük, befiehl der Zeit zurük zu kehren, und du wirst zwölftausend streitbare Männer haben. Dieser Tag, dieser einzige unglükselige Tag zu spät, vernichtet deine Freuden, deine Freunde, dein Glük und deinen Stand. Alle Welschen, haben, auf die Zeitung von deinem Tode, sich zerstreut, oder sind zu Bolingbroke übergegangen. Aumerle. Fasset Muth, Gnädigster Herr, warum seht ihr so blaß aus? König Richard. Nur noch vor einem Augenblik triumphierte das Blut von zwanzigtausend Mann in meinem Gesicht, und nun sind sie verschwunden; und bis wieder so viel Blut dahin zurük kommt, hab' ich nicht Ursach bleich und todtenhaft auszusehen? Die Zeit hat meinen Stolz zuschanden gemacht, und wer seine Seele retten will, flieht von meiner Seite. Aumerle. Beruhiget euch, Gnädigster Herr, erinnert euch, wer ihr seyd. König Richard. Ich hatte mich selbst vergessen: Bin ich nicht ein König? Erwache, du schüchterne Majestät, du schläfst! Ist nicht des Königs Name soviel als vierzigtausend Namen? Rüste, rüste dich, mein Name; ein elender Unterthan dräuet deiner glänzenden Majestät. Seht nicht so auf den Boden, ihr Günstlinge eines Königs! Sind wir nicht hoch? Laßt es uns wenigstens in Gedanken seyn. Ich weiß, mein Oheim York hat ein ansehnliches Heer zu unserm Dienst aufgebracht. Aber wer kommt hier? Vierte Scene. (Scroop zu den Vorigen.) Scroop. Ein besseres Glük falle meinem Könige zu, als meine kummerbeladne Zunge ihm ankündigen muß. König Richard. Mein Ohr ist offen, und mein Herz gerüstet; das schlimmste was du sagen kanst, ist nur zeitlicher Verlust. Sagst du, mein Königreich sey verlohren? Nun dann, es war meine Sorge; was für ein Verlust ist es, seiner Sorgen entlediget zu werden? Strebt Bolingbroke so groß zu werden als wir? Grösser kan er nicht werden; und wenn er doch immer ein Unterthan des Himmels bleibt, so bin ich das auch, und so bleibt er meines gleichen. Empören sich unsre Unterthanen? Das können wir nicht ändern; sie brechen ihre Treue gegen Gott eben sowol als gegen uns. Ruffe immerhin Weh, Jammer, Verwüstung, Fall, Untergang; das schlimmste ist der Tod, und der Tod hat seinen unvermeidlichen Tag. Scroop. Es erfreut mich, daß Eure Majestät so gerüstet ist, unglükliche Nachrichten zu ertragen. Wie ein ungestümer stürmischer Tag, der die Silberströme so hoch über ihre Ufer schwellen macht, als ob die ganze Welt in Thränen zerflossen wäre: So hoch über alle Schranken schwellt Bolingbroks Wuth, und bedekt euer geschrektes Land mit hartem schimmerndem Stahl, und mehr als stählernen Herzen. Weisse Bärte haben ihre nakten dünnbehaarten Schädel gegen deine Majestät bewaffnet; Knaben mit Weiber-Stimmen bemühen sich grob zu reden, und schmiegen ihre weiblichen Gelenke in unbiegsam Waffen gegen deine Crone; ja selbst Kunkel-Weiber schwingen rostige Hellebarden. Alte und Junge stehen gegen deinen Thron auf, und alles geht schlimmer, als ich es auszusprechen vermag. König Richard. O nur zu gut, zu gut erzählst du eine so böse Geschichte. Wo ist der Graf von Wiltschire? Was ist aus Buschy worden? Wo ist Green? Daß sie den Feind so ruhig sich über unsre Grenzen haben ausbreiten lassen? Wenn wir die Oberhand erhalten, so sollen ihre Köpfe davor bezahlen. Ich zweifle nicht, sie haben ihren Frieden mit Bolingbroke gemacht. Scroop. Sie haben Frieden mit ihm gemacht, in der That, Gnädigster Herr. König Richard. O Bösewichter, Vipern, verdammte Verräther! Hunde, die sich leicht gewinnen lassen, einem jeden liebzukosen! Schlangen, die ich in meinem Busen erwärmte, und die nun mein Herz durchstechen! Drey Judasse, jeder dreymal ärger als Judas! Haben sie Frieden gemacht? Die flammende Hölle bekriege ihre beflekten Seelen für diese Schandthat! Scroop. Die süsseste Liebe wird, wie ich sehe, wenn sie ihre Natur ändert, zu bitterstem und tödtlichstem Haß. Entlasset ihre Seelen wieder euers Fluchs; sie haben ihren Frieden mit Köpfen gemacht, nicht mit Händen; diejenigen, denen ihr fluchet, haben des Todes gewaltthätige Hand gefühlt, und ligen tief in geweihtem Grund. Aumerle. Ist Buschy, Green, und der Graf von Wiltschire todt? Scroop. Ja, alle drey verlohren zu Bristol ihre Köpfe. Aumerle. Wo ist denn der Herzog, mein Vater, mit seinen Völkern? König Richard. O! Frage nicht wo er ist; und niemand rede mehr von Trost! Von Gräbern laßt uns reden, von Würmern und Grabschriften; laßt uns den Staub zu unserm Papier machen, und mit regnenden Augen unsern Jammer auf den Busen der Erde schreiben. Laßt uns von Testamenten reden, und unsre Ausrichter erwählen--doch nein--Was können wir vermachen, als unsre abgelegte Leiber der Erde? Unsre Länder, unser Leben, alles ist Bolingbroks, und wir können nichts unser nennen als den Tod, und dieses Bißchen Erde, das unsre Gebeine deken wird. Ums Himmels willen! laßt uns hier auf den Boden niedersizen, und einander melancholische Geschichten vom Tod der Könige erzählen; wie einige entsezt, andre im Krieg erschlagen worden; andre von den Geistern derjenigen verfolgt, so sie aus dem Wege geräumt hatten; andre von ihren Weibern vergiftet, andre im Schlaf umgebracht, alle ermordet!--denn in der holen Crone, die eines Königs sterbliche Schläfe umfaßt, hält der Tod seinen Hof; da sizt das groteske Ungeheuer und spottet mit grinsendem Lächeln seines Pomps, erlaubt ihm einen Athem-Zug, eine kleine Scene lang zu herrschen, gefürchtet zu werden, und mit Bliken zu tödten, lispelt ihm eitle schwülstige Gedanken ein, als ob das Fleisch, worinn sein Leben eingeschlossen ist, unzerstörbares Metall sey; und wann er ihn so bethört hat, kommt er zulezt, durchbort mit einer kleinen Steknadel seine Schläfe, und gute Nacht König!-- Bedekt eure Häupter, und verspottet nicht Fleisch und Blut mit feyrlicher Ehrerbietung; werfet Ehrfurcht, Titel, Ceremoniel, und alle diese Zeichen der Unterwürfigkeit weg; ihr habt mich diese ganze Zeit her mißkannt. Ich lebe von Athem wie ihr, ich habe Bedürfnisse wie ihr, fühle Schmerzen, habe Freunde vonnöthen, wie ihr; so abhängig, wie ich also bin, wie könnt ihr mir sagen: ich sey ein König? Bischoff. Gnädigster Herr, weise Männer bejammern niemals ihre gegenwärtigen Übel, sondern kommen gegenwärtig den Übeln zuvor, die sie künftig bejammern müßten. Den Feind fürchten, giebt, da die Furcht die Stärke schwächt, dem Feind einen Zuwachs von Stärke in unsrer Schwäche, und so haben wir an unsrer eignen Thorheit einen Feind mehr. Fürchtet euch, so seyd ihr geschlagen; kan es euch schlimmer gehen, wenn ihr euch wehret? Fechtet ihr und kommt um, so sterbt ihr doch edler, als wenn ihr aus Zagheit umkommt. Aumerle. Mein Vater hat Truppen; schiket nach ihm, und lernet aus einem Gliedmaß einen Leib machen. König Richard. Du beschiltst mich mit Recht. Stolzer Bolingbroke, ich komme, um durch Streiche deinen oder meinen lezten Tag zu entscheiden. Dieser fiebrische Schauer von Furcht ist vorüber; es ist eine leichte Arbeit zu gewinnen was unser eigen ist. Sage, Scroop, wo ligt unser Oheim mit seiner Macht? Antworte etwas besseres, als deine düstern Blike versprechen. Scroop. Wol mögt ihr aus meinen düstern und kummerbeladnen Augen urtheilen, daß meine Zunge noch eine bösere Zeitung zu erzählen hat, wie man aus der Beschaffenheit des Himmels auf das heitre oder ungestüme Ende eines Tages zu schliessen pflegt. Ich mache den Peiniger, indem ich das ärgste was ich sagen muß, in die Länge ziehe. Euer Oheim York hat sich mit Bolingbroke vereiniget, alle eure Nordischen Schlösser sind übergeben, und aller euer südlicher Adel ist in Waffen auf seiner Parthey. König Richard. Du hast genug gesagt. Wehe dir, Vetter, daß du mich von diesem guten Weg, worauf ich war, in Verzweiflung geführt hast. Was sagt ihr izt? Was für Hoffnung haben wir nun? Beym Himmel! ich hasse den auf ewig, der mir zumuthen will, noch etwas zu hoffen. Geht nach Flint-Castle, dort will ich mich ungestört dem Gefühl meines Jammers überlassen. Entlasset die Mannschaft die ich noch habe, laßt sie zu demjenigen gehen, der Hoffnung hat zu steigen. Ich habe keine mehr. Wende mir niemand etwas gegen diß ein; aller Rath ist umsonst. Aumerle. Nur ein Wort, Gnädigster Herr-- König Richard. Schmeicheleyen in solchen Umständen worinn ich bin, machen meine Wunden nur tiefer. Entlaßt meine Leute; laßt sie gehen, laßt sie aus Richards Nacht in Bolingbroks aufgehenden Tag. (Sie gehen ab.) Fünfte Scene. (Bolingbroks Lager bey Flint.) (Ein Aufzug mit Trummeln und Fahnen, Bolingbroke, York, Northumberland und Gefolge treten auf.) Bolingbroke. Diese Nachricht belehrt uns also, daß die Welschen zerstreut sind, und daß Salisbury dem Könige entgegengegangen ist, der mit einer kleinen Anzahl von Freunden kürzlich an dieser Küste angeländet ist. Northumberland. Die Zeitung ist schön und gut, Milord; Richard hat sein Haupt nicht weit von hier verborgen. York. Es würde dem Lord Northumberland nicht übel anstehen, zu sagen, König Richard. O! des unglüklichen Tags, da ein geheiligter König sein Haupt verbergen muß! Northumberland. Euer Gnaden nimmt mir's anders auf als es gemeynt war; ich ließ seinen Titel nur aus, um kürzer zu seyn. York. Es war eine Zeit, wo ich es euch nicht gerathen haben wollte, so kurz mit ihm zu seyn, wenn es euch nicht gleichgültig gewesen, daß er es so sehr mit euch sey, um euch eure ganze Kopfslänge kürzer zu machen. Bolingbroke. Nehmet seinen Ausdruk nicht übler auf als recht ist, mein Oheim. York. Und nehmet ihr nicht mehr als recht ist, mein guter Neffe; oder ihr vergeßt zulezt, daß der Himmel über euerm Haupt ist. Bolingbroke. Ich weiß es, mein Oheim, und widerseze mich seinem Willen nicht. Wer kommt hier? (Percy zu den Vorigen.) Willkommen, Harry! Wie? Will sich dieses Schloß noch nicht ergeben? Percy. Das Schloß ist gegen euern Einzug königlich bemannt, Milord. Bolingbroke. Königlich? Wie, enthält es denn einen König? Percy. Ja, Milord, es enthält einen König; König Richard ligt innert dem Bezirk von jenem Leim und Stein, und bey ihm Lord Aumerle, Lord Salisbury, Sir Stephan Scroop, und noch ein Geistlicher von heiligem und ehrfurchtwürdigem Ansehn, dessen Name ich nicht erfahren konnte. Northumberland. Vermuthlich der Bischoff von Carlisle. Bolingbroke (zu Northumberland.) Mein edler Lord, geht vor die Mauren dieses alten Schlosses, fordert durch die eherne Stimme der Trompete eine Unterredung, und sprecht so: Heinrich von Bolingbroke küsse auf seinen Knien König Richards Hand, und sende ihm die Versicherung seiner Unterthänigkeit und aufrichtigen Treue gegen seine Königliche Person; sagt ihm, ich sey in dem nemlichen Augenblik bereit, meine Waffen und Völker zu seinen Füssen niederzulegen, in welchem er mir die Widerruffung meiner Landes-Verweisung und die Wieder-Einsezung in meine Güter freywillig garantiren wolle; wo nicht, so werde ich mich des Vortheils meiner Macht bedienen, und den Sommer-Staub mit Regen von Blut legen, die aus den Wunden erschlagner Engländer sich ergiessen sollen. Wie entfernt aber von Bolingbroks Herzen der Gedanke sey, daß ein solch blutiges Ungewitter den frischen grünen Schooß von König Richards Land überschwemmen solle, davon könne ihn meine Mäßigung und Entfernung von allem pflichtwidrigen Gebrauch meiner Obermacht überzeugen. Geht, erklärt ihm dieses, indessen daß wir ohne das Getöse drohender Trummeln über diese Ebne fortziehen, damit unser Betragen, von den zerfallnen Zinnen dieses Schlosses beobachtet, die Wahrheit unsrer Erklärung bekräftige. Mich däucht, König Richard und ich sollten uns mit nicht mindern Schreknissen begegnen, als die Elemente des Feuers und des Wassers, wenn ihr donnernder Zusammenstoß die bewölkten Wangen des Himmels mit Thränen badet. Ist er das Feuer, so will ich das nachgiebige Wasser seyn; er mag rasen, indeß daß ich meine Wasser auf die Erde regne; auf die Erde, nicht auf ihn. Nähert euch den Mauren--Milord, und beobachtet die Fassung des Königs genau. Sechste Scene. (Aufforderung von aussen, Antwort von innen; Trompeten-Klang, König Richard, Bischoff von Carlisle, Aumerle, Scroop und Salisbury kommen auf die Mauren.) York. Seht, seht, der König tritt selbst hervor, gleich dem von Unmuth erröthenden Phöbus, wenn er, aus der glühenden Pforte des Morgens hervorgehend, neidische Wolken gewahr wird, die sich vereiniget haben, seinen Glanz zu verhüllen, und die Pracht seines schimmernden Zugs nach Westen zu verdunkeln. Und doch sieht er wie ein König; seht, wie sein Auge, glänzend wie eines Adlers, herrschende Majestät um sich her blizt. O beweinenswürdig, daß eine so schöne Gestalt durch irgend einen Unfall entstellt werden soll. König Richard (zu Northumberland.) Wir befremden uns, und stehen schon lange hier, auf die ehrfurchtvolle Beugung deiner Knie zu warten, indem wir uns selbst für deinen gesezmäßigen König hielten; und sind wir's, wie dürfen sich deine Gelenke vergessen, den schuldigen Tribut der Unterthänigkeit unsrer Gegenwart zu bezahlen? Sind wir's aber nicht, so zeige uns die Hand Gottes, die uns unsrer Statthalterschaft entlassen hat. Denn das wissen wir, daß keine Hand von Blut und Knochen, ohne Entweihung, Diebstal und Verrath, nach unserm geheiligten Scepter greiffen kan. Und ob ihr gleich denkt daß alle von uns abgefallen, und wir allein und von Freunden entblößt gelassen seyen, so sollt ihr doch wissen, der Allmächtige, mein Herr, mustert um euertwillen Heere von Plagen in seinen Wolken, die euch treffen werden, euch, die ihre Vasallen-Hände gegen mich aufgehoben und der Majestät meiner Crone gedräuet haben, euch, und eure noch ungebohrnen Kinder. Sagt dem Bolingbroke, (denn dort, däucht mich, ist er,) daß ein jeder Schritt den er in meinem Lande macht, Hochverrath ist--Er ist gekommen, das purpurne Testament des blutigen Kriegs zu öffnen; aber eh die Crone, nach der er strebt, ruhig auf sein Haupt herabsteigen wird, sollen zehentausend blutige Cronen von Mutter-Söhnen die Blume von Englands Antliz entstellen, die Farbe ihres jungfräulich-blassen Friedens in feurigen Grimm verwandeln, und ihre fetten Weiden mit getreuem Englischem Blut bethauen. Northumberland. Der König des Himmels verwehre, daß unser Herr, der König, so mit bürgerlichen und unbürgerlichen Waffen angefallen werden solle! Nein, dein edler Vetter, Heinrich von Bolingbroke, küßt voll Ehrfurcht deine Hand, und schwört, bey dem ehrenvollen Grabmal, das auf euers beydseitigen Ahnherrn königlichen Gebeinen ruht, bey der geheiligten Quelle euers gemeinschaftlichen Bluts, und bey der Helden-Hand seines verstorbnen Vaters, und bey seiner eignen Würde und Ehre schwört er, daß seine Ankunft keinen andern Zwek hat, als die Besiznehmung von seinen eignen Gerechtsamen und Gütern, deren Zurükgab er auf seinen Knien erbittet. Wird bey euerm Königlichen Wort ihm nur dieses zugestanden, so will er seine blinkenden Waffen dem Rost überlassen, seine langmähnichten Rosse den Ställen, und sein Herz dem getreuen Dienst Eurer Majestät. Diß schwört er, so wahr er ein Prinz ist, und so wahr ich ein Edelmann bin, glaub' ich seinen Schwur. König Richard. Northumberland, sag' ihm, so antwortet der König: Sein edler Vetter ist sehr willkommen, und alle seine Forderungen, so viel ihrer seyn mögen, sollen ohne Widerspruch zugestanden seyn. Sag' ihm in unserm Namen so viel verbindliches und freundschaftliches, als du nur immer kanst.-- (zu Aumerle.) Wir erniedrigen uns, Vetter, nicht wahr, da wir so armselig aussehen, und so gute Worte geben? Sollen wir Northumberland zurük ruffen, den Verräther herausfordern lassen, und so sterben? Aumerle. Nein, Gnädigster Herr, bis die Zeit uns Freunde leiht, und unsre Freunde ihre Schwerdter, bleibt uns nichts übrig als mit Worten zu fechten. König Richard. O Gott! o Gott! daß diese meine Zunge, die das Urtheil der Verbannung über jenen stolzen Mann ausgesprochen, dahingebracht seyn soll, es mit liebkosenden Worten zurükzunehmen! o daß ich so groß wäre als mein Schmerz, oder kleiner als mein Name; O daß ich vergessen könnte was ich gewesen bin, oder nicht fühlte was ich izt bin! Schwillst du auf, stolzes Herz? Ich gebe dir alle Freiheit, schlage wie du willt, da meine Feinde die Freyheit haben, dich und mich zu schlagen. Aumerle. Northumberland kommt von Bolingbroke zurük. König Richard. Was muß der König noch mehr thun? Muß er sich unterwerfen? Der König soll es thun. Muß er abgesezt werden? Der König soll sich's gefallen lassen. Muß er auch dem Namen eines Königs entsagen? In Gottes Namen, es sey so. Ich will meine Juweelen für einen Rosenkranz geben, meinen Palast für eine Einsiedeley, meine schimmernden Kleider für einen Bettlers-Mantel, mein goldnes Geschirr für einen hölzernen Teller; meinen Scepter für einen Pilgrims-Stab, meine Unterthanen für ein Paar geschnizte Heilige, und mein grosses Königreich für ein kleines Grab; ein kleines, kleines Grab--ein dunkles Grab!--Oder ich will auf des Königs Landstrasse begraben werden, auf einem ungangbaren Weg, wo meiner Unterthanen Füsse stündlich auf ihres Königs Haupt trappen mögen; denn auf mein Herz treten sie, da ich noch lebe; warum nicht auf mein Haupt, wenn ich begraben bin?--Aumerle, du weinst? Mein weichherziger Vetter! Wir wollen böses Wetter mit unsern verachteten Thränen machen; unsre Seufzer und Thränen sollen das Sommer-Korn legen, und eine Theurung in dieses rebellische Land bringen. Oder wollen wir uns aus unserm Jammer eine Kurzweile machen? Irgend ein artiges Spiel aus unsern fliessenden Thränen? Als etwann, sie so lange an den nemlichen Ort tropfen zu lassen, bis sie uns ein paar Gräber in die Erde eingefressen haben; und wenn wir da ligen--Hier ligen zween Freunde, die sich ihr Grab mit ihren Thränen gegraben haben. Würde uns das unser Elend nicht versüssen? Wohl, wohl, ich sehe, ich rede phantastisch, und ihr lachet über mich. Großmächtigster Prinz, Milord Northumberland, was sagt der König Bolingbroke? Will seine Majestät dem Richard erlauben zu leben, bis Richard stirbt? Ihr macht einen Scharr-Fuß, und Bolingbroke sagt, ja. Northumberland. Gnädigster Herr, er wartet in dem Hofe, mit euch zu reden; gefällt es euch herunter zu kommen? König Richard. Herunter, herunter komm ich, wie der schimmernde Phaeton, da er die unbändigen Sonnen-Pferde nicht zu regieren wußte. In den Hof herunter, ein König in den Hof herunter, auf den Ruf eines Verräthers, um ihm seine Begnadigung zu geben. Herunter dann, König, herunter! Bolingbroke. Was sagt seine Majestät? Northumberland. Kummer und Sorgen machen ihn wunderlich, und wie ein Mann der nicht recht bey sich selbst ist, reden. Izt ist er da. Bolingbroke (kniend.) Tretet alle zurük, und bezeuget Sr. Majestät eure schuldige Ehrfurcht. Mein Gnädigster Herr-- König Richard. Mein edler Vetter, ihr demüthiget eure fürstlichen Knie zu tief, indem ihr die niedrige Erde stolz macht sie zu berühren. Mir wäre lieber, wenn mein Herz eure Liebe fühlte, als daß mein unbefriedigtes Aug' eure Höflichkeit sieht. Auf, Vetter, auf; euer Herz ist zum wenigsten so hoch, (er deutet mit der Hand auf seine Crone) wenn eure Knie schon so niedrig sind. Bolingbroke. Mein Gnädigster Herr, ich komme nur für das, was mein eigen ist. König Richard. Euer Eigenthum ist euer, ich bin euer, alles ist euer. Bolingbroke. In so fern möge Eure Majestät mein seyn, mein Gnädigster Souverain, als meine getreuen Dienste eure Liebe verdienen werden. König Richard. Ihr verdienet alles; wer verdient mehr zu haben, als wer den sichersten und kürzesten Weg kennt, zu gewinnen? Oheim, gebt mir eure Hand; nein, troknet eure Augen; Thränen sind nur hülflose Zeichen der Liebe. Vetter, ich bin zu jung euer Vater zu seyn, ob ihr gleich alt genug seyd, mein Erbe zu seyn. Ich will euch geben was ihr haben wollt, und noch dazu mit Willen. Denn warum sollen wir nicht wollen, was wir müssen? Ziehet fort nach London. Ist das nicht eure Absicht, Vetter? Bolingbroke. Ja, Gnädigster Herr. König Richard. So darf ich nicht nein sagen. (Trompeten. Sie gehen ab.) Siebende Scene. (Ein Garten im Hofe der Königin.) (Die Königin tritt mit zwoen Damen auf.) Königin. Was für eine Kurzweil wollen wir uns in diesem Garten machen, um unsre kummervolle Gedanken zu vertreiben? Lady. Gnädigste Frau, wir wollen mit Kugeln spielen. Königin. Das würde mich denken machen, daß die Welt voller Rauhigkeit und Zaken ist, und daß mein Glük, wie eine Kugel, die ihre Kraft verlohren hat, seitwärts rennt. Lady. Madam, so wollen wir tanzen. Königin. Meine Füsse können kein Maaß* im Vergnügen halten, wenn mein armes Herz kein Maaß in seinem Kummer hält. Also nichts vom Tanzen, Mädchen; irgend ein andres Spiel. {ed.-* Wortspiel mit dem Wort (measure), welches Cadenz, und Maaß heißt.} Lady. So wollen wir Mährchen erzählen, Gnädigste Frau. Königin. Traurige oder lustige? Lady. Von beyderley Gattung, Madam. Königin. Von keiner von beyden, Mädchen. Die Frölichen würden nur die Erinnerung meiner Schmerzen desto lebhafter machen, weil sie mir die Freude zeigten, die mir fehlt; und die Traurigen würden noch mehr Bekümmerniß zu derjenigen hinzuthun, die ich schon habe. Lady. So wollen wir singen, Gnädigste Frau. Königin. Es ist gut, wenn du Ursache dazu hast; aber du würdest mir besser gefallen, wenn du weinen würdest. Lady. Ich könnte wol weinen, Gnädigste Frau, wenn es euch besser machte. Königin. Und ich könnte weinen, wenn mir weinen besser machte, ohne daß ich eine Thräne von dir entlehnen müßte. Aber warte, hier kommen die Gärtner. Wir wollen uns in den Schatten dieser Bäume verbergen-- Sie werden vom Staat reden, wie alle Welt, wenn eine Veränderung im Werk ist. (Ein Gärtner mit zween Garten-Jungen tritt auf; die Königin und ihre Damen treten bey Seite.) Gärtner. Geh, binde du jene hängenden Apricosen auf, die, wie ungerathene Kinder, ihren Vater durch ihr verschwendrisches Gewicht zu Boden ziehen; unterstüze ein wenig die neigenden Zweige. Geh du, und haue, gleich einem Nachrichter, die Köpfe der zu hochaufschiessenden Stauden-Gewächse ab, die zu übermüthig in unserm gemeinen Wesen aussehen. In unsrer Regierung muß alles eben seyn. Unterdessen daß ihr so beschäftigst seyd, will ich gehen, und das unnüze Unkraut ausjäten, das den gesunden Pflanzen die Nahrung entzieht. Junge. Wie verlangt ihr von uns, daß wir in dem Bezirk eines Zauns, Geseze, Form, und gehöriges Ebenmaaß beobachten, und wie in einem Model einen wolgeordneten Staat zeigen? Indeß daß unser vom Meer eingeschloßner Garten, das ganze Land voller Unkraut ist, seine schönsten Blumen zerknikt, seine fruchtbaren Bäume alle ungepuzt, seine Zäune eingerissen, seine Knoten alle verwirrt sind, und seine heilsamen Gewächse von Raupen wimmeln? Gärtner. Schweige du; derjenige, dessen Frühling so wild und zügellos war, hat nun den Fall seiner Blätter erfahren. Der Epheu, der unter dem Schirm seiner weitverbreiteten Zweige emporwuchs, und ihn zu unterstüzen schien, indem er ihn aussog, ist aller bis auf die Wurzeln, von Bolingbroke ausgereutet worden; ich meyne den Grafen von Wiltschire, Buschy, und Green. Junge. Was, sind sie todt? Gärtner. Das sind sie, und Bolingbroke hat sich des verunglükten Königs bemächtiget. Wie beklagenswerth ist es, daß er sein Land nicht so gehalten hat, wie wir unsern Garten. Wir verwunden die Rinde unsrer Frucht-Bäume, weil der zu grosse Überfluß von Saft sie geil und üppig machen, und durch zuviel Reichthum zu grund richten würde. Hätte er es mit den Menschen so gemacht, die zu groß und üppig wuchsen, sie möchten die Zeit erlebt haben daß sie ihm nüzliche Früchte getragen, und er, daß er sie gekostet hätte. Wir schneiden alle überflüßigen Äste weg, damit die tragenden Zweige leben mögen; hätt' er's auch so gemacht, so würd' er selbst die Crone getragen haben, die ihm Verschwendung und Müßiggang so bald vom Haupte gerissen. Junge. Was? denkt ihr dann, der König werde abgesezt werden? Gärtner. Unterdrükt ist er schon, und abgesezt wird er ohne Zweifel werden. Es sind in verwichner Nacht Briefe von einem Freund des Herzogs von York angekommen, welche schlimme Zeitungen erzählen. Königin. O, ich werde zu todt gepreßt, wenn ich länger schweige--Du Ebenbild Adams, in diesen Garten gesezt, seiner zu pflegen, wie untersteht sich deine Zunge so leidige Zeitungen anzukündigen. Was für eine Eva, was für eine Schlange hat dir eingegeben, einen zweyten Fall des verfluchten Menschen zu machen? Wie, sagst du, König Richard ist entsezt? Darfst du, kaum ein bessers Ding als die Erde die du gräbst, seinen Fall weissagen? Sprich, wo, wenn und wie kamst du zu dieser bösen Zeitung? Sprich, du Unglükseliger! Gärtner. Verzeihet mir, Madam. Ich habe wenig Freude davon, diese Neuigkeiten zu sagen, aber man versichert, daß sie wahr seyen. König Richard ist in Bolingbroks mächtiger Gewalt. Ihr Glük wird gegen einander abgewogen. In euers Herrn Waagschale ist nichts als er selbst, und etliche wenige Eitelkeiten, die ihn leicht machen; aber in der Schaale des grossen Bolingbroks ligen, ausser ihm selbst, alle Pairs von England, und mit diesen wiegt er den König Richard zu Boden. Eilet nur nach London, und ihr werdet es so finden; ich sage nichts, als was jedermann weiß. Königin. Du behendes Unglük, das so leicht auf den Füssen ist, geht deine Gesandtschaft nicht mich an? Warum bin ich dann die lezte, die sie erfährt? O du denkst mich auf die Lezte zu sparen, damit ich deine Schmerzen desto länger fühle. [** Kommt, Lädies, wir wollen gehen, um in London Londons König im Jammer aufzusuchen. Wie, ward ich hiezu gebohren, daß mein gedemüthigter Blik den Triumph des stolzen Bolingbroks vermehren soll? Gärtner, für diese Zeitung, die du mir erzählt hast, wünsch' ich, daß die Pflanzen, die du pflanzest, nimmer wachsen mögen. {ed.-** Was in [ ] eingeschlossen ist, sind Reime im Original.} (Sie geht ab.) Gärtner. Arme Königin, möchte, wenn es dir helfen könnte, dein Fluch an meinem Fleisse wahr werden!--Hier ließ sie eine Thräne fallen;-- hier, an diesem Ort will ich einen Rautenstok sezen, zum Andenken, daß eine Königin hier geweint hat.] (Geht ab.) Vierter Aufzug. Erste Scene. (Der Parlament-Saal in London.) (Bolingbroke, Aumerle, Northumberland, Percy, Fizwater, Surrey, der Bischoff von Carlisle, der Abbt von Westmünster, Herolde, Officianten, Gerichtsdiener, und Bagot, treten auf.) Bolingbroke. Ruft den Bagot hervor--Sage nun ohne Scheu, was du von Glosters Tode weißst; wer half dem Könige dazu, und wer vollbrachte diese unglükselige That? Bagot. Wenn ihr das wissen wollt, so stellt mir den Lord Aumerle vor die Augen. Bolingbroke. Vetter, tritt hervor, und sieh' diesem Mann in die Augen. Bagot. Milord Aumerle, ich weiß eure edelmüthige Zunge verschmäht es, zu läugnen was sie einmal gesagt hat. In jener Zeit, da Glosters Tod angezettelt wurde, hörte ich euch sagen: Ist mein Arm nicht lang genug, da er von dem ruhigen Englischen Hof bis nach Calais an meines Oheims Kopf reicht? Unter vielen andern Reden, hört ich euch damals auch dieses sagen: Ihr wolltet eher hunderttausend angebotne Cronen ausschlagen, als daß Bolingbroke nach England zurük komme; und ihr seztet hinzu, wie glüklich dieses euers Vetters Tod dieses Land machen würde. Aumerle. Prinzen und Milords, was für eine Antwort soll ich diesem niederträchtigen Mann geben? Soll ich meine schönen Sterne so sehr entehren, und ihm wie einem der meines gleichen ist, antworten. Und doch muß ich, oder ich muß es leiden, meine Ehre von dem Geifer seiner verläumderischen Zunge beflekt zu sehen. Hier ist mein Pfand, (er wirft seinen Handschuh hin,) das Siegel des Todes, daß dich für die Hölle auszeichnet. Du liegst, und ich will, daß es falsch ist was du sagst, mit deinem Herzens-Blut beweisen, so unwürdig es auch ist, den Stahl meines ritterlichen Schwerdts zu besudeln. Bolingbroke. Bagot, nim dich in Acht; du sollt es nicht aufheben. Aumerle. Einen einzigen ausgenommen, wollt' ich, der Beste in dieser Versammlung hätte mich so herausgefordert. Fizwater. Wenn du es zufrieden bist, daß ein andrer seinen Plaz nehme, so ist hier mein Pfand gegen das Deinige. Bey dieser schönen Sonne, die mir zeigt, wo du stehst, ich hörte dich sagen, und du sprachst es mit einem pralerischen Ton, du seyest die Ursach von des edlen Glosters Tod gewesen. Wenn du das läugnest, so lügst du eine zwanzigfache Lüge, und mit diesem meinem Schwerdt will ich sie in dein Herz zurük stossen, worinn sie ausgebrütet wurde. Aumerle. Feige Memme, du hast das Herz nicht, so lange zu leben, daß du diesen Tag sehest. Fizwater. Bey meiner Seele, ich wollt' es wäre in dieser Stunde. Aumerle. Fizwater, diß verdammt dich zur Hölle. Percy. Aumerle, du lügst; o seine Ehre ist in dieser Anklage so rein, als du ein Bösewicht bist. Und daß du es bist, das will ich, hier ist mein Pfand dafür, bis zum lezten Lebens-Athem an dir beweisen. Heb' es auf, wenn du Muth hast. Aumerle. Und wenn ich es nicht thue, o dann verdorre meine Hand, und schwinge niemals wieder den rächenden Stahl über den Helm meiner Feinde! Wer beschuldigt mich noch mehr? Beym Himmel, ich nehm' es mit allen auf Ich habe tausend Geister in meiner Brust, um zwanzigtausend solchen wie ihr seyd, zu antworten. Surrey. Milord Fizwater, ich erinnre mich der Zeit sehr wol, da Aumerle und ihr euch mit einander sprachet. Fizwater. Milord, es ist wahr; ihr waret dabey, und ihr könnt mir Zeugniß geben, daß es wahr ist. Surrey. So falsch, beym Himmel, als der Himmel selbst wahrhaft ist. Fizwater. Surry, du lügst. Surrey. Ehrloser Bube, diese Lüge soll so schwer auf meinem Schwerdte ligen, daß es Rache über Rache nehmen soll, bis du, der mich lügen hieß, und deine Lüge, so ruhig in der Erde ligen als deines Vaters Schädel. Zu dessen Beweiß, ist hier das Pfand meiner Ehre; verbinde dich zum Kampf, wenn du das Herz hast. Fizwater. Wie unnöthig spornst du ein feuriges Roß! Wenn ich das Herz habe zu essen, zu trinken, Athem zu holen, so hab' ich auch das Herz, Surrey in einer Wildniß aufzusuchen, und ihn anzuspeyen, indem ich ihm sage, daß er lügt, und lügt, und lügt: Hier ist mein Pfand, daß ich dich zur Straffe ziehen will. So wahr ich in dieser neuen Welt zu gedeyhen wünsche, Aumerle ist meiner wahrhaften Anklage schuldig. Überdem hörte ich den verbannten Norfolk sagen, du Aumerle, habest zween von deinen Leuten abgeschikt, den Herzog zu Calais zu ermorden. Aumerle. Ist kein ehrlicher Christ hier, der mir einen Handschuh leiht, damit ich sagen kan, daß Norfolk lügt; hier zieh ich diesen ab, daß ich es auf ihn beweisen will, wenn er zurükberuffen werden mag. Bolingbroke. Alle diese Händel sollen zur Entscheidung ausgesezt bleiben, bis Norfolk zurükberuffen ist; und das soll er werden, und, ob er gleich mein Feind ist, in alle seine Herrschaften wieder eingesezt; wenn er wieder da ist, soll er gegen Aumerle seinen Beweis machen. Carlile. Dieser ehrenvolle Tag wird nie gesehen werden. Eine lange Zeit hat der verwiesne Norfolk für Jesum Christum, in glorreichen blutigen Kämpfen für die Ehre des heiligen Creuzes, mit schwarzen Heiden, Türken und Saracenen gefochten; hernach, von der kriegrischen Arbeit abgemattet, nach Italien sich zurükgezogen, und endlich zu Venedig seinen Leib dieser anmuthsvollen Erde, seine reine Seele aber Christo, seinem Feldherrn, gegeben, unter dessen Fahne er so lange gestritten hatte. Bolingbroke. Wie, Bischoff, ist Norfolk todt? Carlile. So gewiß ich lebe, Milord. Bolingbroke. Seliger Friede führe seine Seele in Abrahams Schooß!--Milords Appellanten, eure Händel sollen alle auf den gewechselten Pfändern beruhen, bis wir euch den Tag zu eurer Probe angesezt haben. Zweyte Scene. (York zu den Vorigen.) York. Grosser Herzog von Lancaster, ich komme zu dir von dem berupften Richard abgeschikt, der mit williger Seele dich zu seinem Erben annimmt, und seinen hohen Scepter in deine königliche Hand übergiebt. Besteige also seinen Thron, als nunmehr von ihm abstammend, und lang lebe König Heinrich der vierte! Bolingbroke. In Gottes Namen, will ich den königlichen Thron besteigen. Bischoff von Carlisle. Das verhüte der Himmel! So schlimm das scheinen oder aufgenommen werden mag, was ich in dieser königlichen Gegenwart reden werde, so anständig ist es mir, die Wahrheit zu sagen. Wollte Gott, daß einer in dieser edeln Versammlung edel genug wäre ein aufrichtiger Richter des edeln Richards zu seyn; denn ein wahrer Edelmuth würde ihn eine so ungerechte That verabscheuen lehren. Welcher Unterthan kan ein Urtheil über seinen König sprechen? Und wer sizt hier, der nicht Richards Unterthan ist? Diebe, so sehr auch die Umstände wider sie zeugen, werden nicht gerichtet, ohne daß man sie gehört hat. Und soll das Bild der Göttlichen Majestät, sein Hauptmann, und selbsterwählter Statthalter, gesalbt, gekrönt, und eingethront, von seinen Unterthanen verurtheilt werden, und er selbst nicht dabey zugegen seyn? O verhüt' es, gerechter Himmel! daß in einem Christlichen Lande, unter einem gesitteten Volk eine so scheußliche, schwarze, unflätige That gesehen werde! Ich rede zu Unterthanen, und als ein Unterthan; vom Himmel angetrieben red' ich so kühn, denn ich rede für meinen König. Milord von Hereford hier, den ihr König nennt, ist ein schändlicher Verräther an Herefords König. Und wenn ihr ihn krönt, so laßt mich propheceyen, Englisches Blut wird den Boden düngen, und künftige Zeitalter um dieser Schandthat willen ächzen. Der Friede wird zu den Türken und Ungläubigen schlafen gehen, und in diesem Siz des Friedens, aufrührischer Krieg, Brüder gegen Brüder, und Bürger gegen Bürger erhizen. Unordnung, ruchlose Gewalt, Mißtrauen und Aufruhr wird hier wohnen, und dieses mit Menschen-Schädeln bedekte Land Golgatha genennt werden. O wenn ihr das königliche Haus gegen das königliche Haus empört, so wird die jammervolleste Zwietracht daraus entstehen, die jemals auf diesem verfluchten Erdboden gewüthet hat. O! vermeidet sie, widerstehet, laßt es nicht so seyn, oder die Kinder eurer Kinder werden Weh über euch schreyen. Northumberland. Ihr habt vortrefflich gesprochen, Herr, und für eure Mühe nehmen wir euch hier wegen Hochverraths in Verhaft. Milord von Westmünster, laßt es eure Sorge seyn, ihn bis zum Tag seines Verhörs wol zu verwahren. Gefällt es euch, Milords, die Bitte der Gemeinen zu bewilligen? Bolingbroke. Bringet Richarden hieher, damit er vor allen Augen das Reich übergebe: auf diese Art wird aller Verdacht gehoben. York. Ich will sein Führer seyn. (Er geht ab.) Bolingbroke. Diejenigen von euch, Milords, die hier unter unserm Arrest sind, mögen für ihre Sicherheit auf den Tag ihrer Antwort besorgt seyn. Wir sind ihrer Liebe wenig schuldig, und haben uns wenig Beystand von ihnen zu versehen gehabt. Dritte Scene. (König Richard und York zu den Vorigen.) König Richard. Himmel, warum werde ich vor einen König vorgefordert, eh ich die königlichen Gedanken abgeschüttelt habe, womit ich regierte? Ich habe noch nicht lernen können, mich einzuschwazen, zu schmeicheln, zu büken und die Knie zu beugen. Lasset meinem Kummer noch Zeit mich zu dieser Unterwürfigkeit anzugewöhnen. Und doch will ich mich der Zeit erinnern, da mir diese Männer günstiger waren. Waren sie nicht einmal mein? Rieffen sie mir nicht einmal lauter Heil und Leben zu? Das that Judas auch gegen Christum: Aber Christus fand unter zwölfen Treue bey allen bis auf einen, ich unter zwölftausend gar keine. Gott erhalte den König!--Will niemand sagen, Amen? Bin ich Priester und Küster zugleich? Wol dann, Amen! Gott erhalte den König, ob ich's gleich nicht bin, und auch Amen! Wenn der Himmel mich dafür erkennt. Was für Dienste fordert man von mir, daß man nach mir geschikt hat? York. Eine Handlung deines eignen freyen Willens, wozu du, der Majestät überdrüßig, dich selbst erboten hast, die Übergabe deines Staats und deiner Crone. König Richard. Gebt mir die Crone--hier, Vetter, nimm die Crone, hier auf dieser Seite, meine Hand; und auf dieser deine. Izt ist diese goldne Crone wie ein tiefer Brunnen mit zween Kübeln, wovon einer den andern füllt; der leere tanzt immer in der Luft, indem der andre in der Tiefe, ungesehn und voll Wassers ist; dieser erniedrigte und mit Thränen angefüllte Kübel bin ich, der nun seinen Kummer wie Wasser in sich schluken muß, indeß daß ihr in die Höhe steigt. Bolingbroke. Ich dachte, ihr wäret willig, die Crone niederzulegen? König Richard. Die Crone, ja; aber doch bleibt mein Schmerz mein, ihr könnt mich meiner Majestät und meines Staats entsezen, aber nicht meiner Schmerzen; darüber bleib ich immer König. Bolingbroke. Seyd ihr's zufrieden, die Crone zu übergeben? König Richard. Ja, nein--Nein, ja,--Denn ich muß nichts seyn--also nein, nein; denn ich übergebe sie dir. Nun, gebt acht wie ich mich selbst vernichte; ich gebe diese schwere Bürde von meinem Haupte weg, diesen unbehülflichen Scepter aus meiner Hand, und den Stolz der Königs-Würde aus meinem Herzen; mit meinen eignen Thränen wasch ich meine Salbung weg; mit meinen eignen Händen geb ich meine Crone von mir; mit meiner eignen Zunge verläugne ich meinen geheiligten Stand, und mit meinem eignen Athem entlasse ich alle ihrer mir geschwornen Pflichten. Ich verschwöre alle Majestät und Hoheit, ich vergesse alle meine Domainen, Renten und Einkünfte, ich vernichte alle meine Handlungen, Edicte und Verordnungen. Gott verzeihe alle die Eidschwüre, die an mir gebrochen werden! Gott erhalte alle diejenigen ungebrochen, die dir gethan werden. Mögest du lange leben, um auf Richards Stuhl zu sizen, und Richard bald im Grabe Ruhe finden. Gott erhalte den König Heinrich, sagt der entkönigte Richard, und sende ihm viele Jahre von glüklichen Tagen!-- Was ist noch mehr zu thun? Northumberland. Nichts mehr, als daß ihr diese Anklagen und dieses Verzeichniß von abscheulichen Verbrechen leset, die von euch selbst und euern Anhängern gegen den Staat und das Beste dieses Landes begangen worden; damit durch euer Geständniß alle Welt überzeugt werde, daß ihr mit Recht entsezt worden seyd. König Richard. Muß ich das thun? muß ich das Gewebe meiner Thorheiten Faden vor Faden ausfäseln? Lieber Northumberland, wenn deine Sünden alle aufgeschrieben wären, würdest du nicht beschämt seyn, sie in einer so schönen Gesellschaft abzulesen? Thätest du es, du würdest einen scheuslichen Artikel, die Absezung eines Königs, darinn finden, den gewaltthätigen Bruch eines geheiligten Eides, mit einem Strich der Verdammniß im Buch des Himmels bezeichnet. O, ihr alle die ihr hier steht und mich anseht, wie mein Unglük mich nöthigt, mich selbst aufzureiben, wenn gleich einige von euch wie Pilatus ihre Hände mit heuchlerischen Thränen waschen; so seyd ihr's dennoch, ihr Pilatusse, die mich hier zu meinem bittern Creuz ausliefern, und Wasser kan eure Sünde nicht abwaschen. Northumberland. Milord, beschleunigst euch, überleset diese Artikel. König Richard. Meine Augen sind voll Thränen; ich kan nicht sehen, und doch blendet ihr Salz-Wasser sie nicht so sehr daß ich nicht einen Pak Verräther hier beysammen sehe. Doch was sag ich? ich bin selbst ein Verräther wie die übrigen; denn ich habe die Einwilligung meiner Seele zur Entsezung eines Königs gegeben; ich habe die Majestät entweiht, und einen Monarchen zu einem Sclaven gemacht; ich bin ein Verräther! Northumberland. Milord-- König Richard. Kein Lord von dir, du hohnsprechender Mann, niemands Lord; ich habe keinen Namen, keinen Titel mehr; nein, sogar der Name der mir über dem Taufstein gegeben wurde, ist usurpirt. O! des unglüklichen Tags! daß ich so manche Winter überlebt haben, und meinen eignen Namen nicht mehr wissen soll! O! daß ich ein zum Scherz aus Schnee zusammengeballter König wäre, und hier, vor Bolingbroks Sonne stehend, in Wassertropfen wegschmelzen möchte!--Guter König,-- Grosser König--wenn anders mein Wort noch gangbare Münze in England ist, so laßt es diesen Augenblik einen Spiegel hieher befehlen, damit ich sehe, wie mein Gesicht aussieht, seitdem es seine Majestät verlohren hat. Bolingbroke. Gehe jemand, und hole einen Spiegel. Northumberland. Überleset indessen dieses Papier, bis der Spiegel kommt. König Richard. Teufel, du peinigst mich, eh ich noch in der Hölle bin. Bolingbroke. Sezt ihm nicht weiter zu, Milord von Northumberland. Northumberland. Die Gemeinen werden so nicht zufrieden seyn. König Richard. Sie sollen es werden; ich will genug lesen, wenn ich das Buch sehe, worinn, in der That, alle meine Sünden geschrieben sind, und das bin ich selbst. (Man bringt einen Spiegel.) Gieb mir den Spiegel, hierinn will ich lesen--Noch keine tiefere Runzeln! Hat der Kummer so manche Streiche auf dieses mein Gesicht geführt, und keine tiefere Wunden gemacht? O! schmeichelndes Glas! Du betrügst mich wie die Freunde meines glüklichen Zustands--War dieses das Gesicht, das täglich zehntausend Menschen unter seinem Haus-Dach hielt? War diß das Gesicht, das gleich der Sonne, diejenigen die es ansahen, blinzen machte? und nun von Bolingbrok überglänzt wird? Eine zerbrechliche Majestät leuchtet in diesem Gesicht, (er schmeißt den Spiegel auf den Boden,) und so zerbrechlich wie die Majestät, ist auch das Gesicht; denn hier ligt es, in hundert Scherben zerbrochen. Gieb Acht, stillschweigender König, auf die Moral dieses Kinderspiels; wie schnell mein Kummer mein Gesicht zerstört hat. Bolingbroke. Der Schatten euers Kummers hat den Schatten euers Gesichts zerstört. König Richard. Sagt das noch einmal. Der Schatten meines Kummers! Ha, laßt einmal sehen--es ist in der That so, mein Schmerz ligt ganz in meinem Innern, und alle diese äusserlichen Zeichen von Jammer sind blosse Schatten des unsichtbaren Grams, der in geheim in der gepeinigten Seele schwellt. Ich danke dir, König, daß du mir nicht nur Ursache zum Wehklagen giebst, sondern mich auch noch lehrst, wie ich die Ursache bejammern soll. Ich will nur noch um eine einzige Gefälligkeit gebeten haben, und dann gehen und euch nicht mehr beunruhigen. Werd' ich sie erhalten? Bolingbroke. Nennet sie, geliebter Vetter. König Richard. Geliebter Vetter! Ah! ich bin grösser als ein König; denn wie ich ein König war, waren meine Schmeichler meine Unterthanen; nun da ich ein Unterthan bin, hab ich einen König zum Schmeichler. Da ich ein so grosser Mann bin, so hab ich nicht nöthig zu bitten. Bolingbroke. So fordert. König Richard. Und soll ich's haben? Bolingbroke. Ihr sollt. König Richard. So erlaubt mir wegzugehen. Bolingbroke. Wohin? König Richard. Wohin ihr wollt, wenn es nur aus euerm Gesicht ist. Bolingbroke. Einige von euch sollen ihn nach dem Tower begleiten--Auf nächsten Mitwoch sezen wir unsre Krönung fest: Milords, haltet euch dazu gefaßt. (Alle gehen ab, bis auf den Abbt von Westmünster, den Bischoff und Aumerle.) Vierte Scene. Abbt. Welch ein jammervolles Schauspiel, das wir hier gesehen haben! Bischoff. Der Jammer wird erst kommen; die noch ungebohrne Nachwelt wird diesen Tag so scharf wie einen Dorn in ihrem Fleische fühlen. Aumerle. Ihr heiligen Priester, ist denn kein Mittel, das Reich vor diesem verderblichen Unwesen zu retten? Abbt. Eh ich euch hierüber mein Innerstes entdeke, sollt ihr das Sacrament darauf empfangen, daß ihr nicht nur mein Vorhaben verschwiegen halten, sondern auch alles vollziehen wollet, was ich euch nur immer auftragen werde. Ich sehe eure Stirne voll Mißvergnügen, euer Herz voll Gram, und eure Augen voll Thränen. Kommt mit mir heim zum Nacht-Essen, und da wollen wir den Grund zu einem Entwurf legen, der uns einen glüklichen Tag sehen lassen soll. (Sie gehen ab.) Fünfter Aufzug. Erste Scene. (Eine Strasse in London.) (Die Königin mit ihren Damen tritt auf.) Königin. Diesen Weg wird der König kommen: Diß ist der Weg zu jenem fatalen Thurm, den Julius Cäsar aufführte, und worein der stolze Bolingbroke meinen Herrn zur Gefangenschaft verurtheilt hat. Hier wollen wir ausruhen; wenn diese aufrührische Erde anders noch eine Ruhe für ihres rechtmäßigen Königs Gemalin hat.-- (König Richard tritt mit seiner Wache auf.) Aber stille! aber seht, doch seht lieber nicht, wie verwelkt meine schöne Rose ist-- Nein, seht auf, schaut und zerfließt aus Mitleiden in Thau, um ihn mit den Thränen einer getreuen Liebe wieder frisch zu waschen. O du, der Trümmer, wo das alte Troja stand, du Ruin der Majestät, du Grabmal von König Richard, und nicht König Richard selbst! Du schöner Gasthof, soll Gram und Jammer in dir herbergen, indeß daß Triumph der Gast in einer Bierschenke worden ist? König Richard. Vereinige dich nicht mit meinem Kummer, schönes Weib, mein Ende zu sehr zu beschleunigen. Lerne, gute Seele! unsern vorigen Zustand als einen glüklichen Traum ansehen, von dem wir nun erwacht sind, und uns in der That in keinen bessern Umständen finden, als worinn wir sind. Meine Liebe, ich bin ein geschworner Bruder der unerbittlichen Nothwendigkeit, und wir beyde werden im Bündniß stehen bis zum Tode. Eile du nach Frankreich, und verbirg dich in irgend eine andächtige Freystätte. Es ist uns nichts übrig, als durch ein heiliges Leben die Crone in einer bessern Welt wieder zu gewinnen, die wir durch unheilige Stunden verlohren haben. Königin. Wie? Ist mein Richard an Gestalt und Gemüth verwandelt? Hat Bolingbroke auch deinen Geist abgesezt? Ist er bis in dein Herz eingedrungen? Ein sterbender Löwe sträubt sich, und verwundet, aus Wuth überwältigt zu seyn, wenigstens die Erde, wo er fiel; und du, willt wie ein unmündiger Knabe deine Züchtigung mit Sanftmuth empfangen, die Ruthe küssen, und deinem Feind mit schaamwürdiger Demuth die Füsse lecken, du, der ein Löwe, ein König der Thiere war? König Richard. Ein König von Thieren, in der That; und wenn es nichts als Thiere gewesen wären, so wär' ich noch ein glüklicher König von Menschen. Meine gute ehmalige Königin, mache dich reisefertig nach Frankreich. Denk, ich sey todt, und daß du eben hier, als bey meinem Todbette, den lezten Abschied von mir nimmst. In verdrieslichen Winternächten size mit guten alten Leuten zum Feuer, und laß dir Geschichten von Jammer und Unglük erzählen, die längst begegnet sind; und ehe du ihnen gute Nacht giebst, erzähl' ihnen hinwieder meinen kläglichen Fall, und schike die hörenden weinend zu Bette-- Zweyte Scene. (Northumberland und Gefolge zu den Vorigen.) Northumberland. Milord, Bolingbrok hat seine Gedanken geändert, ihr sollt nach Pomfret, nicht nach dem Tower--Madam, es sind schon Anstalten euertwegen gemacht; ihr müßt in möglichstes Eile nach Frankreich. König Richard. Northumberland, du Leiter, auf welcher Bolingbroke an meinen Thron hinaufgestiegen ist; die Zeit wird nicht lange aussenbleiben, da dein schwährendes Verbrechen von faulem Eyter aufbrechen wird. Du wirst denken, wenn er gleich das Reich theilt, und dir die Hälfte giebt, es sey zu wenig, weil du ihm alles gegeben habest; und er wird denken, du, der den Weg kennt unrechtmäßige Könige zu sezen, werdest, auf die kleinste Veranlassung, auch wissen, ihn wieder, so lang er ist, von seinem angemaßten Thron herab zu stürzen. Die Liebe lasterhafter Freunde verwandelt sich in Mißtrauen, und diß Mißtrauen in Haß; und der Haß wird einen oder beyde dem verdienten Untergang überliefern. Northumberland. Mein Verbrechen sey über meinem Haupt, und soviel hievon! Nehmt Abschied von einander, ihr müßt scheiden. König Richard. Doppelt geschieden? Gottlose Leute, ihr entheiligt eine zweyfache Ehe; zwischen mir und meiner Crone, und zwischen mir und meinem vermählten Weib. Laß mich den Eid hinwegküssen, der dich und mich vereinigt; und doch, nicht so, denn mit einem Kuß ward er gemacht. Scheid' uns, Northumberland; ich, nach Norden, wo schauernde Kälte das kranke Clima verzehrt; meine Königin nach Frankreich, von wannen sie im Pomp herübergesandt wurde, geschmükt wie der holde May, nun zurük geschikt, verdüstert und traurig wie der kürzeste Tag. Königin. Und müssen wir denn getrennt seyn? Müssen wir denn scheiden? König Richard. Ja, Hand von Hand, meine Liebe, und Herz von Herz. Königin. Verbannet uns beyde, und schikt den König mit mir. Northumberland. Das wäre gütig, aber sehr unpolitisch. Königin. So laßt mich mit ihm gehen. König Richard. Weine du in Frankreich für mich, und ich will hier für dich weinen; es ist besser entfernt, als näher geschieden zu seyn. Geh, zähle deinen Weg mit Seufzern ab, ich mit Ächzen den meinigen. Königin. So wird der längste Weg die meisten Seufzer haben. König Richard. Ich will bey jedem Schritt zweymal ächzen, weil mein Weg der kürzere ist. Komm, komm, ein Kuß soll uns den Mund schliessen, und dann fahr' wohl; so geb' ich dir mein Herz, und so nehm' ich deines. (Sie küssen sich.) Königin. Nein, gieb mir das meinige zurük; es wäre kein schöner Abschied, wenn ich dein Herz mit mir nehmen wollte, um es zu tödten. (Sie küssen sich wieder.) So, nun hab' ich das Meinige wieder, damit ich mich bestreben kan, es mit einem Seufzer zu tödten. König Richard. Wir vermehren nur unsern Schmerz mit diesen zärtlichen Verzögerungen; noch einmal, leb' wohl; das übrige laß unsre Thränen sagen.-- (Sie gehen ab.) Dritte Scene. (Des Herzogs von York Palast.) (York und seine Herzogin treten auf.) Herzogin. Milord, ihr wolltet fortfahren, mir den Einzug unsrer beyden Vettern in London zu erzählen, als ihr durch Thränen genöthigt wurdet, eure Geschichte zu unterbrechen. York. Wo blieb ich stehen? Herzogin. Bey dem kläglichen Absaz, Milord, da ruchlose unmenschliche Hände aus einem Fenster Staub und Auskehricht auf König Richard herunter schütteten. York. Der Herzog, der grosse Bolingbroke, von einem heissen feurigen Hengst getragen, der, als ob er seinen emporstrebenden Reuter kenne, mit langsamem aber stolzem Schritt dahergieng, sezte also, wie ich sagte, seinen Zug fort, indem alle Zungen ihm entgegenriefen: Gott erhalte dich, Bolingbroke! Unzähliche weitoffne Augen schossen ihre verlangende Blike nach ihm, und das Zujauchzen war so groß, daß ihr gedacht hättet, die Mauren selbst mit den Bildern womit sie übermahlt sind, hätten auf einmal zu ruffen angefangen: Gott erhalte dich, willkommen, Bolingbroke! Indeß daß er, sich immer von einer Seite zur andern drehend, mit entblößtem Haupt, und alle Augenblike bis unter seines stolzen Rosses Kopf sich bükend, ihnen antwortete: Ich danke euch, meine Mitbürger; und so zog er langsam die Strasse durch. Herzogin. O Jammer! Armer Richard! Wie gieng es ihm indessen? York. Wie in einem Schauspiel die Augen der Leute, wenn ein beliebter Schauspieler die Scene verläßt, sich unachtsam von demjenigen wegwenden, der zunächst auftritt, in der Einbildung, daß sie nichts als ein langweiliges Gewäsche von ihm zu erwarten haben; eben so, oder noch verächtlicher, runzelte sich jede Stirne, da Richard kam; niemand rief. Gott erhalte ihn! Keine erfreute Zunge hieß ihn in seiner Hauptstadt willkommen; sondern Staub wurde auf sein geheiligtes Haupt geschüttet, den er mit einem so sanftmüthigen Schmerz und mit einem Gesicht, worinn Thränen und Lächeln, auf eine so herzrührende Art kämpften, von sich abschüttelte, daß, hätte nicht Gott, aus irgend einer furchtbaren Ursache, die Herzen der Menschen verhärtet, sie nothwendig hätten schmelzen, und Barbarey selbst ihn hätte beweinen müssen. (Aber der Himmel hat seine Hand in diesen Begebenheiten, und in seinen hohen Willen müssen wir den unsrigen ergeben. Wir sind nun Bolingbroks Unterthanen, und ihm hab' ich nun auf ewig meine Treue angelobt.) Vierte Scene. (Aumerle zu den Vorigen.) Herzogin. Hier kommt mein Sohn, Aumerle. York. Der Aumerle war, und es nicht mehr ist, weil er Richards Freund war. Ihr müßt ihn nunmehr Rutland nennen, Madam; ich bin Bürge im Parlament für seine Treue gegen den neuen König worden. Herzogin. Willkommen, Sohn; wo sind nun die Veilchen, die den grünen Schooß des jungen Frühlings bestreuen? Aumerle. Madam, ich weiß es nicht, und bekümmre mich wenig darum. Gott weiß, daß es mir gleichgültig ist, ob ich bin, oder ob ich nicht bin. York. Gut, betragt euch wohl in diesem Frühling einer neuen Zeit, sonst möchtet ihr abgeschnitten werden, eh ihr geblüht habt. Was giebts neues von Oxford? Dauren diese Lustbarkeiten und Ritterspiele noch immer fort? Aumerle. So viel ich weiß, noch immer. York. Geht ihr auch dahin? Aumerle. Wenn Gott es nicht verhindert, so ist es mein Vorsaz. York. Was für ein Siegel ist das, so aus deinem Busen heraushängt--Wie, du erblassest? Laß mich die Schrift sehen. Aumerle. Es ist nichts, Milord. York. So ist auch nichts daran gelegen, daß ichs sehe. Ich will befriedigt seyn, laß mich die Schrift sehen. Aumerle. Ich bitte Euer Gnaden um Vergebung; es ist eine Kleinigkeit, die ich aus gewissen Ursachen nicht gerne sehen lassen möchte. York. Die ich aus gewissen Ursachen sehen will, Herr. Ich fürchte, ich fürchte-- Herzogin. Was könnt ihr fürchten, Milord? Es wird nichts als irgend eine Handschrift seyn, die er wegen seiner Equipage zum Einzug ausgestellt haben wird. York. Ich glaube du bist nicht klug, Weib--Jung, laß mich die Schrift sehen. Aumerle. Ich bitte euch, haltet mir's zu Gnaden; ich kan es nicht sehen lassen. York. Ich will es aber sehen, sag ich-- (Er reißt ihms weg und ließt es.) Verrath! Schändlicher Hochverrath! Nichtswürdiger! Verräther! Sclave! Herzogin. Was ist es dann, Milord? York. He! wer ist da drinn? Sattlet mein Pferd. Himmel, was für eine Verrätherey ist das! Herzogin. Wie, was ist es, Milord? York. Meine Stiefel her, sag ich; sattlet mein Pferd. Nun bey meiner Ehre, bey meinem Leben, ich will dein Ankläger seyn, Bösewicht. Herzogin. Was ist es dann? York. Still, närrisches Weibsbild. Herzogin. Ich will nicht still seyn; was ist es, Sohn? Aumerle. Meine gute Mutter, gebt euch zufrieden, es ist nichts mehr, als wovor mein armes Leben gut stehen muß. Herzogin. Dein Leben! Fünfte Scene (Ein Bedienter kommt mit Stiefeln herein.) York. Gieb mir die Stiefel her; ich will zum Könige. Herzogin. Schlag ihn zu Boden, Aumerle--(Armer Junge, du bist betäubt.) Weg, Schurke, und komm mir nicht mehr vor die Augen. (Zum Bedienten.) York. Meine Stiefel! Herzogin. Wie, York, was willt du thun? Du willt den Tod deines eignen Kinds befördern? Haben wir noch mehr Söhne? Oder können wir noch mehr bekommen? Willt du meinen einzigen Sohn in meinem Alter von mir reissen, und mich des glükseligen Namens einer Mutter berauben? Ist er nicht dein eigen? York. Du zärtliche Thörin! Wolltest du diese schwarze Zusammenverschwörung verheeren? Ihrer Zwölfe haben das Sacrament empfangen, und sich die Hände darauf gegeben, den König zu Oxford zu ermorden. Herzogin. Das soll er nicht; wir wollen ihn hier behalten. York. Weg, närrisches Weib. Wär' er zwanzigmal mein Sohn, so wollt' ich ihn angeben. Herzogin. Hättest du seinetwegen ächzen müssen wie ich, du würdest mitleidiger seyn. Aber nun merke ich deine Gedanken; du argwöhnest, daß ich deinem Bette ungetreu gewesen sey, und daß er ein Bastard sey, nicht dein Sohn; liebster York, liebster Gemal, denke nicht so; er ist dir so gleich als man seyn kan; er ist weder mir noch irgend jemand aus meiner Verwandtschaft ähnlich, und doch lieb ich ihn. York. Aus dem Weg, widerspenstiges Weibsbild. (Er geht ab.) Herzogin. Geh ihm nach, Aumerle; besteig' sein Pferd, sporn' es so gut, daß du vor ihm zum König kommst, und bitt' um Gnade, eh er dich anklagen kan. Ich will nicht lange dahinten bleiben; wenn ich schon alt bin, so will ich doch noch wol so schnell reiten als York; und nimmer will ich vom Boden aufstehen, bis Bolingbroke dich begnadigt hat. Hinweg. (Sie gehen ab.) Sechste Scene. (Verwandelt sich in den Hof zu Windsor.) (Bolingbroke, Percy, und andre Lords treten auf.) Bolingbroke. Kan mir niemand Nachricht von meinem ungerathnen Sohne geben? Es sind volle drey Monate, seitdem ich ihn das leztemal sah. Wenn ja eine Plage über uns hängt, so ist es er; ich wollte zu Gott, Milords, daß er gefunden würde. Fragt zu London in den Weinschenken nach ihm, denn dort sagt man, hält er sich täglich in Gesellschaft zügelloser lüderlicher Leute auf, sogar mit solchen, die in holen Wegen lauren und die Reisenden berauben, indeß daß der junge ausgelassene Bube eine Ehre darinn sucht, eine so schändliche Rotte zu beschüzen. Percy. Gnädigster Herr, es sind etwann zween Tage, daß ich den Prinzen sah, und ihm von den Ritterspielen zu Oxford erzählte. Bolingbroke. Und was antwortete der Busch-Klöpfer? Percy. Er sagte, er wolle in ein Bordel, und der gemeinsten Meze einen Handschuh abziehen, ihn ihr zu Ehren auf den Hut steken, und damit den herzhaftesten Ritter aus dem Sattel heben. Bolingbroke. So lüderlich als wild; und doch seh' ich durch beydes einige Funken von Hoffnung schimmern, welche mit zunehmenden Jahren glüklich ausschlagen mögen. Aber wer kommt hier? (Aumerle zu den Vorigen.) Aumerle. Wo ist der König? Bolingbroke. Was hat unser Vetter, daß er so starr und wild aussieht? Aumerle. Gott erhalte Euer Majestät. Ich bitte euch, etliche Augenblike mit Euer Majestät allein sprechen zu dürfen. Bolingbroke. Entfernet euch, und laßt uns hier allein; was ist dann nun die Sache, Vetter? Aumerle (kniend.) Auf ewig mögen meine Knie in die Erde wachsen, und meine Zunge an meinen Gaumen, oder Euer Majestät ertheile mir Gnade, eh ich rede! Bolingbroke. Was ist dein Fehler, vorgesezt, oder würklich begangen? Wenn nur das erste, so groß er seyn mag, so vergeb' ich ihn dir, um deine künftige Liebe zu gewinnen. Aumerle. So erlaubet mir, Gnädigster Herr, daß ich den Schlüssel umdrehen darf, damit niemand herein komme, bis meine Erzählung zu ende ist. Bolingbroke. Das magst du. York (hinter der Scene.) Gnädigster Herr, nehmt euch in Acht, seht euch vor, ihr habt einen Verräther bey euch. Bolingbroke (zu Aumerle.) Nichtswürdiger, ich will bald mit dir fertig seyn-- Aumerle. Halt deine rächende Hand zurük, du hast keine Ursache zu fürchten. York. Mach die Thür auf, sichrer, unbesonnener König; öffne die Thür, oder ich werde sie einstossen. Siebende Scene. (York zu den Vorigen.) Bolingbroke. Was giebt es, mein Oheim? Sprich, komm erst zu Athem; sag uns, wie nah ist die Gefahr, damit wir uns waffnen können, ihr entgegen zu gehen? York. Überlies diese Schrift, so wirst du die Verrätherey kennen, von der ich, athemloß wie ich bin, noch nicht reden kan. Aumerle. Erinnre dich, indem du liesest, deines gegebnen Versprechens. Es reuet mich, lies meinen Namen nicht, mein Herz ist kein Bundsgenosse meiner Hand. York. Nichtswürdiger, dein Herz war ein Verräther, eh deine Hand es war-- ich riß es aus des Verräthers Busen, König. Furcht, nicht Liebe zeugt seine Reue; habe kein Mitleiden mit ihm, oder dein Mitleiden möchte eine Schlange werden, und dein Herz durchstechen. Bolingbroke. O grauliche, verwegne und mächtige Verschwörung! O rechtschaffner Vater eines verrätherischen Sohns, du reine, unbeflekte Silberquelle, aus welcher dieser Strom durch sumpfige Örter geflossen, und so sich selbst verunreinigt hat. Der Überfluß deiner Verdienste soll diesen tödtlichen Fleken von deinem verbrecherischen Sohn abwaschen. York. So würde meine Tugend die Kupplerin seines Lasters seyn; und wie verschwendrische Söhne ihrer kargen Väter Gold, so würde er durch seine schändliche Thaten meine Ehre verprassen.* Meine Ehre lebt nur, wenn seine Schande stirbt; du tödtest mich, du tödtest den rechtschaffnen Mann, wenn du den Verräther leben lässest. {ed.-* Von hier bis zur 9ten Scene lauter Reime im Original.} Die Herzogin (hinter der Scene.) O! Gnädigster Herr, um Gottes willen, laßt mich ein. Bolingbroke. Was für ein hellstimmiger Supplicant macht dieses ängstliche Geschrey? Herzogin. Ein Weib, und deine Tante, grosser König, ich bin's. O lasset mich vor, habet Mitleiden mit mir, laßt die Thür öffnen. Eine Bettlerin bettelt, die zuvor noch nie gebettelt hat. Bolingbroke. Unsre Scene hat ihre ernsthafte Gestalt verlohren, und hat sich in den Bettler und den König verwandelt; mein gefährlicher Vetter, laßt eure Mutter herein, sie kommt ohne Zweifel für euch zu bitten. York. Wenn du vergiebst, wer es auch sey, der dich um Gnade bittet, so wird deine Gnade die Aufmuntrung zu neuen Verbrechen seyn. Schneide dieses eyternde Gelenk ab, so bleibt das übrige gesund; wo nicht, so wird der ganze Leib angestekt werden. Achte Scene. (Die Herzogin von York zu den Vorigen.) Herzogin. O König, glaube nicht diesem hartherzigen Mann; wer kan jemand andern lieben, der sich selbst nicht liebt? York. Du aberwiziges Weibsbild, was machst du hier?-- Herzogin. Geduld, lieber York; höret mich, Gnädigster Herr. (Sie kniet.) Bolingbroke. Steht auf, meine Tante. Herzogin. Noch nicht, ich bitte euch; ewig will ich hier auf meinen Knien ligen, bis du durch die Begnadigung meines armen Sohns mir das Leben giebst. Aumerle. Kniend füg' ich zu meiner Mutter Bitte die meinige. York. Und kniend heißt mich meine Treue wider beyde bitten; nimmer wirst du gedeyhen, wenn du Gnade widerfahren lässest. Herzogin. Bittet er im Ernst? O betrachtet sein Gesicht; seine Augen lassen keine Thränen fallen, sein Bitten ist nur Verstellung, seine Worte kommen nur aus seinem Mund, unsre aus dem Herzen; er bittet nur, um nicht erhört zu werden, wir bitten mit Herz und Seele; seine müden Knie, ich weiß es, hoffen freudig aufzustehen; die unsrige sollen knien, bis sie in den Boden wachsen. O so laßt dann unser aufrichtiges Flehen seine heuchlerische Bitte überschreyen! Bolingbroke. Meine liebe Tante, steht auf. Herzogin. Nein, sagt nicht, daß ich aufstehen soll, ihr habt dann zuvor seine Begnadigung ausgesprochen. O wär ich deine Amme, und sollte dich reden lehren, Gnade sollte das erste Wort seyn, das deine Zunge aussprechen lernte. Noch nie verlangte ich mit Ungeduld ein Wort zu hören als izt, o König, sprich Gnade, so erhältst du zwey Leben mit einem Wort. Bolingbroke. Steht auf, meine gute Tante. Herzogin. Ich bitte nicht, um Erlaubniß, zu stehen; Vergebung ist alles, warum ich bitte. Bolingbroke. Ich vergebe ihm, wie der Himmel mir vergeben soll! Herzogin. O! du bist ein Gott auf Erden! Wo ist ein Wort, das aus einem königlichen Munde schöner tönt? O! Sag es noch einmal, mein ängstlich-zweifelndes Herz gewiß zu machen. Bolingbroke. Von ganzem Herzen vergeb' ich ihm. Aber was unsern getreuen Schwager, den Abbt, betrift--und alle übrige von dieser zusammen- verschwornen Rotte, die soll unerbittliches Verderben an den Fersen ereilen!--Mein geliebter Oheim, sorget dafür, daß eine hinlängliche Anzahl von Truppen nach Oxford, oder wo diese Verräther immer seyn mögen, abgeordnet werde. Ich will sie haben, sobald ich weiß wo sie sind, und ich schwöre sie sollen in dieser Welt nicht leben! Lebet wohl, Oheim; und ihr, Vetter, Adieu; eure Mutter hat euch gute Dienste gethan; es ist nun an euch, einen guten Gebrauch davon zu machen. Herzogin. Komm, mein alter Sohn; ich bitte den Himmel, daß er dich neu mache. (Sie gehen ab.) Neunte Scene. (Exton und ein Bedienter treten auf.) Exton. Hörtest du die Worte nicht, die dem König entfuhren: "Hab ich denn keinen Freund, der mich von diesen unaufhörlichen Besorgnissen befreyen mag?" Sagte er nicht so? Bedienter. Das waren würklich seine Worte. Exton. "Hab' ich keinen Freund?"--sagte er; er sagte es zweymal, und zweymal mit einer gewissen Heftigkeit. That er's nicht? Bedienter. Er that es. Exton. Und indem er's sagte, sah' er mir starr ins Gesicht, als wollt' er sagen--Ich wünsche, du wär'st der Mann, der mein Herz dieser Besorgnisse erledigen möchte--er meynte den König zu Pomfret. Komm, wir wollen gehen--Ich bin des Königs Freund, und will ihm von seinem Feinde helfen. (Sie gehen ab.) Zehnte Scene. (Verwandelt sich in das Gefängniß zu Pomfret-Castle.) (König Richard tritt auf.) König Richard. Ich studiere schon lange, wie ich dieses Gefängniß, worinn ich lebe, mit der Welt vergleichen wolle; und weil die Welt volkreich ist, und hier kein anders Geschöpf als ich selbst, so kan ich nicht damit zurecht kommen. Und doch will ich's versuchen--Mein Gehirn soll das Weib meiner Seele werden, und meine Seele, der Vater; und diese zwey sollen ein Geschlecht von Gedanken mit einander zeugen, und diese Gedanken sollen diese kleine Welt bevölkern, humorisirt, wie die Einwohner der grossen Welt, denn kein Gedank' ist zufrieden. Sogar die besten (die Gedanken von göttlichen Dingen) sind mit Zweifeln untermischt, und sezen das Wort selbst dem Wort entgegen; zum Exempel: Kommt, ihr Kleinen; und dann wieder: Es ist so schwer zu kommen, als einem Cameel durch ein Nadelöhr zu gehen.--Gedanken, die nach Unabhänglichkeit streben, brüten unmögliche Wunder aus,-- wie diese schwachen Nägel mir eine Öffnung durch die steinernen Rippen dieser Kerker-Mauren krazen könnten, und weil sie es nicht können, so zerplazen sie an ihrem eignen schwellenden Stolz. Gedanken, die nach Vergnügen streben, schmeicheln sich selbst, "sie seyen nicht die ersten Sclaven des Glüks, und werden nicht die lezten seyn," (wie schelmisches Bettelvolk, wenn sie im Stok sizen, sich damit trösten, daß schon viele da gesessen sind, und noch viele sizen werden.) Und in diesem Gedanken finden sie eine Art von Erleichterung, indem sie ihr eignes Elend auf dem Rüken derer tragen, die ehmals das nemliche ausgestanden haben. So spiel ich, in einem Gefängniß, mancherley Personen, wovon keine mit sich selbst zufrieden ist. Zuweilen bin ich ein Fürst; dann macht Verrätherey, daß ich mich zu einem Bettler wünsche, und das bin ich. Alsdann überredet mich die Dürftigkeit, es sey mir besser gewesen, da ich ein Fürst war, und dann werd' ich wieder gefürstet; und unvermerkt besinn' ich mich, daß mich Bolingbroke entfürstet hat, und da bin ich wieder nichts--Was ich aber seyn mag, so ist doch dieses gewiß, weder ich noch irgend ein andrer, wer er seyn mag, wird eher nicht zur Ruhe kommen, bis er nicht mehr ist--Hör' ich nicht Musik? (Eine Musik.) Ha, ha! Haltet den Tact; wie widrig die anmuthigste Musik ist, wenn das Zeitmaaß gebrochen, und die Proportion nicht gehalten wird! So ist es auch mit der Musik des menschlichen Lebens--Wie kommt es, daß ich ein so feines Ohr habe, von dem kleinsten Mißklang einer verstimmten Sayte, oder eines verspäteten Tons beleidigt zu werden; und daß ich kein Ohr hatte, die schlechte Zusammenstimmung in meinem Staat, das gebrochne Zeitmaaß in meiner Regierung zu bemerken? Ich verderbte die Zeit; nun verderbt die Zeit mich. Die Zeit hat nun ihre Stunden-Uhr aus mir gemacht; meine Gedanken sind die Minuten, und meine jammernden Seufzer die Töne, die an mein Herz anschlagen, und so die Stunden anzeigen--Diese Musik macht mich närrisch--laßt sie schweigen; wenn sie gleich schon öfters närrischen Leuten wieder zu ihrem Verstand geholfen hat, so scheint es doch an mir, daß sie kluge Leute närrisch mache. Und doch gesegnet sey der, so sie mir giebt; es ist immer ein Zeichen seiner Liebe, und Liebe zu Richard ist ein seltnes Kleinod in einer Welt, wo der Haß allezeit den Fall begleitet. Eilfte Scene. (Ein Stallknecht kommt herein.) Stalknecht. Heil, königlicher Herr! König Richard. Grossen Dank, edler Pair. Der Wohlfeilste von uns beyden ist um zehn Groschen zu theuer. Wer bist du? Wie kommst du hieher? Wohin niemand kommt, als ein schwermüthiger Sclave, der mir zu essen bringt; um mein Unglük zu verlängern. Stalknecht. Ich war ein armer Stallknecht in deinem Marstall, König, wie du noch ein König warst; und da ich unlängst nach York reisen mußte, so hab' ich um die Erlaubniß angesucht, meinen ehmaligen Herrn sehen zu dürfen. O wie weh that mir's im Herzen, wie ich in den Strassen von London, an dem Krönungs-Tag zusehen mußte, wie Bolingbroke auf dem weiß- und roth getüpfelten Barber, euerm Leibpferd, ritt; auf diesem Pferd das ihr so oft geritten, und das ich mit so grosser Sorgfalt abgerichtet hatte. König Richard. Ritt er auf meinem Barber? Sag mir, mein guter Freund, wie gieng er unter ihm? Stalknecht. So stolz, als ob er den Boden aus Verachtung nicht berühren wolle. König Richard. So stolz, weil er Bolingbrok auf seinem Rüken hatte? Die Schindmähre hat Brodt aus meiner königlichen Hand gefressen; diese Hand hat ihn so oft durch streicheln stolz gemacht. Und er stolperte nicht? Er fiel nicht, und brach diesem übermüthigen Mann den Hals, der seinen Rüken usurpirte? Um Vergebung, du gutes Pferd! du verdienst mein Schelten nicht; du warst dazu geschaffen, dem Menschen unterthan zu seyn, und zum Tragen gebohren. Ich war zu keinem Pferd gemacht, und doch trag' ich die Last eines Esels, und lasse mich von dem trottenden Bolingbroke mit Sporrn zerfleischen und zuschanden reiten. Zwölfte Scene. (Ein Hüter mit einer Schüssel, zu den Vorigen.) Hüter. Kerl, mach' Plaz, du darfst nicht länger bleiben. (Zum Stallknecht.) König Richard. Wenn du mich liebst, so ist es Zeit, daß du gehst. Hüter. Milord, beliebt es euch zu essen? König Richard. Kost' es vorher, wie du gewohnt bist. Hüter. Milord, ich darf nicht; Sir Pierce von Exton, der kürzlich auf des Königs Befehl hieher gekommen ist, hat mir's verboten. König Richard. Der Teufel hole Heinrichen von Lancaster und dich! Die Geduld geht mir aus. (Er schlägt den Hüter.) Hüter. Hülfe, Hülfe, Hülfe!--(Exton und Bediente zu den Vorigen.) König Richard. Wie? was soll das bedeuten? Kommt ihr mich zu ermorden?-- Unglükseliger, stirb durch dein eignes Schwerdt! (Er reißt einem sein Schwerdt aus der Hand und stoßt ihn nieder.) Geh du und füll' einen andern Plaz in der Hölle aus, (er tödtet noch einen; Exton schlägt ihn mit einem Streich zu Boden, ) diese Hand soll in unauslöschlichem Feuer brennen die mit des Königs Blut des Königs eignes Land befleket hat!--Erheb' erhebe dich, meine Seele, einen himmlischen Thron einzunehmen, indem mein sterblicher Theil zur Erde sinkt. (Er stirbt.) Exton. So voll von Tapferkeit als königlichem Blut! Und dieses hab' ich nun vergossen! O wie wollt ich, daß diese That gut wäre! Aber der Teufel, der mir sagte, ich thue recht, sagt izt, daß sie in die Tag- Bücher der Hölle eingeschrieben ist. Ich will nun diesen todten König zu dem lebenden tragen; ihr, schleppt die übrigen fort, und sorgt, daß sie hier begraben werden. (Sie gehen ab.) Dreyzehnte Scene. (Verwandelt sich in den Hof zu Windsor.) (Trompeten; Bolingbroke, York, Lords und Gefolge treten auf.) Bolingbroke. Mein geliebter Oheim York, die neueste Nachricht die wir haben, ist, das die Rebellen unsre Stadt Cicester in Glocesterschire in Brand gestekt haben; aber wir hören nicht, ob sie geschlagen oder gefangen worden-- (Northumberland zu den Vorigen.) Willkommen, Milord, was bringt ihr neues? Northumberland. Zuerst wünsch' ich deiner geheiligten Person und Regierung vollkommne Glükseligkeit; die nächste Zeitung ist, daß ich die Köpfe von Salisbury, Spencer, Blunt und Kent nach London geschikt habe. Die Umstände ihrer Gefangennehmung sind aus diesem Papier ausführlich zu ersehen. Bolingbroke. Wir danken dir, werther Percy, für deine Mühe, und werden deine Verdienste nach Würden zu belohnen wissen. (Fizwater zu den Vorigen.) Fizwater. Gnädigster Herr, ich habe die Köpfe von Broccas und Sir Bennet Seely von Oxford nach London geschikt, von zween jener zusammen- verschwornen Verräther, die eure Majestät zu Oxford zu unterdrüken suchten. Bolingbroke. Deine Bemühungen und Verdienste sollen nicht vergessen werden, Fizwater; ich weiß und schäze ihren Werth. (Percy und der Bischoff von Carlisle zu den Vorigen.) Percy. Das Haupt der Zusammen-Verschwornen, der Abbt von Westmünster, hat, von Schwermuth und Gewissens-Bissen erdrükt, seinen Leib dem Grab abgetreten; aber hier ist Carlisle, der euerm königlichen Urtheil über sein Verbrechen sich unterwirft. Bolingbroke. Carlile, diß ist dein Urtheil; wähle dir irgend eine stille geheiligte Freystädte aus, und geniesse darinn deines Lebens; und so wie du in Ruhe leben wirst, sollst du ruhig sterben: Ob du gleich immer mein Feind warest, so ehr' ich doch deine Tugend. (Exton tritt mit einem Sarg auf.) Exton. Grosser König, in diesem Sarg überliefre ich dir deine begrabne Besorgnisse. Hierin ligt athemlos der gröste von deinen Feinden, Richard von Bourdeaux, von mir hieher gebracht. Bolingbroke. Exton, ich danke dir nicht; deine fatale Hand hat Schmach und Fluch über mein Haupt, und über dieses ganze ruhmvolle Land gebracht. Exton. Aus euerm eignen Munde, Gnädigster Herr, that ich diese That. Bolingbroke. Man kan Gift nöthig haben, aber man liebt es nicht, und ich dich eben so wenig; ob ich ihn gleich todt wünschte, so haß ich doch den Mörder, und liebe nun den Ermordeten. Nimm du die Schuld eines bösen Gewissens für deine Mühe, aber weder meinen Beyfall noch meine Gnade. Geh, wandre wie Cain durch den Schatten der Nacht, und zeige nie dem Tag dein verabscheutes Antliz. Milords, ich schwöre euch, meine Seele ist bekümmert, daß Blut mich besprengen soll, damit ich wachsen möge. Kommt, leget die Farbe der kummervollen Traurigkeit an. Ich will einen Zug in das gelobte Land thun, um dieses Blut von meiner schuldigen Hand abzuwaschen. Folget mir in stillschweigender Trauer, und weinet mit mir über dieser unzeitigen Baare. (Sie gehen alle ab.) Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Leben und Tod Königs Richard des zweyten, von William Shakespeare (Übersetzt von Christoph Martin Wieland). End of the Project Gutenberg EBook of Leben und Tod Konigs Richard des zweyten, by William Shakespeare *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK KONIGS RICHARD DES ZWEYTEN *** This file should be named 7323-8.txt or 7323-8.zip Produced by Delphine Lettau Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. Please note neither this listing nor its contents are final til midnight of the last day of the month of any such announcement. The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. 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